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06 Juni 2012

Niemand hat den Kopf verloren



Heute verbrachte ich den ganzen Abend auf der Frau Hedi, was außerhalb Hamburgs wahrscheinlich anzüglicher klingt als innerhalb, denn die Frau Hedi ist – wie Stammleser wissen – eine hochanständige Barkasse.

Sie tuckerte heute Abend drei Stunden lang kreuz und quer durch den Hafen, und nicht nur ich war an Bord, sondern auch zwei Bands, die sogenannte Showcases spielen sollten. Das sind Konzerte speziell für Journalisten, damit sie warm werden mit den Künstlern und vielleicht geneigter sind, ein Interview zu führen. Die Konkurrenz um die raren Artikelplätze ist schließlich groß.

Einer der Künstler war Stefan Dettl, der bayerische Frontmann von La Brass Banda, der vehement eine Solokarriere anstrebt. Wie so vielen vor ihm war ihm aber die Spezifik eines Showcases nicht ganz klar. Ich zum Beispiel gehöre zu jenen spezifisch gestrickten Menschen, die sich von Aufforderungen, mitzuklatschen oder gar zu -singen, gänzlich unbeeindruckt zeigen. Sie sind mir sogar zuwider.

 
Schließlich bin ich nicht automatisch Fan, sondern im Dienst, warum also sollte ich Euphorie heucheln? Er tat jedenfalls alles, der Dettl, und das ist wirklich viel, doch die Journaille inklusive mir verließ nie das Terrain der höflichen Akklamation, und das war auch gut so.

In der Kloschlange bekam ich Kontakt zu einer Frau, die sich als frühere Produktmanagerin der Toten Hosen herausstellte. Eine gute Gelegenheit, um ihr Vorhaltungen zu machen. Sie konnte sich ja nicht wehren, wir standen in der Kloschlange.

„Sie sind also dafür mitverantwortlich“, schimpfte ich, „dass die Toten Hosen zwar immer um Rezensionen gebettelt, aber ihr Label innerhalb von 20 Jahren niemals eine einzige Anzeige in den Medien geschaltet haben, für die ich arbeite.“

Sie verkrampfte, das war deutlich zu sehen, doch noch ehe sie zur Verteidigungsrede ansetzen konnte, fuhr ich die zweite Angriffswelle. „Tickten alle so wie die Toten Hosen“, erläuterte ich ihr mit bitterem Hohnlächeln, „dann wären wir längst Pleite – und ich arbeitslos.“

Immerhin stünden wir dann jetzt nicht in der gleichen Kloschlange, schoss mir durch den Kopf; das Ganze hätte also auch Vorteile. „Ich war ja immer nur die Botin mit der schlechten Nachricht“, piepste sie verunsichert. Dann ging zu ihrer (doppelten) Erleichterung die Toilettentür auf, was sie zur Flucht nutzte.

In absolutistischen Zeiten, fiel mir ein, hat man Boten, die schlechte Nachrichten überbrachten, geköpft. Ob das auch für Botinnen galt, weiß ich allerdings nicht.

Mal Google fragen.


10 September 2007

Douglas Adams’ späte Rache

W., dem ich versprochen habe, ihn niemals in diesem Blog zu erwähnen, lenkte meine Aufmerksamkeit auf eine schöne Veranstaltung, ohne selbst daran teilnehmen zu wollen: einen Barkassenausflug auf der Frau Hedi durch den Hafen zu Countrymusik und Bier, mit DJ Chief Brody und der Liveband Oklahoma Ranch. Pro Törn acht Euro, stündlich Zustieg an Brücke 10.

Also rief ich A. an, und der war gleich begeistert, obgleich ihn Country kaum, das Schippern durch die Fleete aber umso mehr reizte. Doch der Abend schien zu Ende, noch bevor er begonnen hatte. Denn als wir um neun Uhr an Brücke 10 die Barkasse auf uns zutuckern sahen, rief uns ein hagerer Mensch mit Dreispitz auf dem Kopf schon vom Boot aus zu: „Das war die letzte Fahrt, zu wenig Leute!“ Also kein „Lost highway“ auf der Elbe – Schiet.

Wir enterten das Schiffchen trotzdem, auf ein Bier. Plötzlich aber legte es ansagelos doch ab. Wir strahlten, und A. holte zur Feier der Fahrt die nächsten zwei Bier. Der Mann mit dem Dreispitz erklärte die überraschende Weiterfahrt mit der Generosität der Band, die spontan auf ihre Abendgage verzichtet hatte.

Das war sehr honorig von Oklahoma Ranch, obgleich ihr außergewöhnlich mäßiger Auftritt, der bald darauf folgte, auch kaum mehr als keine Gage wert gewesen wäre. Doch die Darbietungen schimmerten im sanften Licht ihrer Mildtätigkeit, und wir beklatschten sie ausgesucht höflich.

Wieder an Land verschlug es uns ins Komet zur Veranstaltung „Top oder Flop“, wo normalerweise Schallplatten, heute aber VHS-Cassetten zur Versteigerung ausgelobt wurden. Wenn niemand bot, wurde der arme Tropf von Film mit einem Hammer zerstört und in die Runde geworfen. Ein großer Spaß. Man darf nur nicht im Wurfradius sitzen, denn auch eine kaputte Videocassette entwickelt beträchtliche kinetische Energie.

Doch in dieser Nacht wurden nur wenige Tapes zerstört; selbst letztklassiger Trash wie der sehr blutige Berliner Untergrundfilm „Operation Unterarm“ fand für 50 Cent oder so seinen Käufer – obwohl gerade dieser Steifen dermaßen no budget war, dass die Macher notgeboren auf Spezialeffekte verzichtet hatten und dem Bereitsteller des im Titel erwähnten Unterarms kurzerhand eine echte Nadel quer durchs Fleisch stachen.

Von diesem Film nahm ich vorsorglich Abstand, zumal ich die Durchstechszene (Foto) ja jetzt schon gesehen hatte. Dafür ersteigerte ich nach einem sehr harten Bietduell mit dem Wirt beide Tapes der englischen TV-Verfilmung von Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“ – und beglich so eine Schuld, die mich exakt seit dem 5. Mai 2001 latent drückte.

An jenem verfluchten Samstag nämlich war mir auf dem Flohmarkt am Schlachthof die gleiche VHS-Edition für 15 Mark zu teuer erschienen, und ich hatte von einem Kauf abgesehen. Nur eine Woche später, am 11. Mai 2001, starb Douglas Adams, wahrscheinlich an gebrochenem Herzen, wofür niemand anderes verantwortlich war als ich elender Geizhals.

Nun also konnte ich, mehr als sechs Jahre später im Komet, diese Schuld endlich begleichen – für 8,50 Euro, was umgerechnet 16,62 Mark entspricht, also sogar mehr als damals.

Wenig später übersah ich auf dem Weg zur Toilette eine geschickt versteckte Stufe und verstauchte mir zurecht böse den linken Knöchel, der sich nunmehr seit Tagen im lähmend langsamen Abschwellen übt.

Wenn man alles zusammennimmt – Adams’ Abgang, sechs Jahre schlechtes Gewissen, eine schlechte Countryband, ein verstauchter Knöchel –, dann bin ich insgesamt noch sehr glimpflich davongekommen.


Sofern nichts mehr nachkommt natürlich.

05 September 2009

Country auf der Elbe, olfaktorisch eingetrübt



Die Barkasse Frau Hedi tanzt unter den Attacken spätsommerlicher Sturmböen auf den Elbwellen.
Gleich wird die Countryband Oklahoma Ranch das Schaukeln zum Schunkeln umzutransformieren versuchen – eine Attraktion übrigens, die wahrscheinlich deutschlandweit keine andere Stadt zu bieten hat, weshalb Hamburg allen anderen deutschen Städten unbedingt vorzuziehen ist. Und das, obwohl Oklahoma Ranch erneut eher bescheidene Fähigkeiten beim Countryspielen offenbaren.

Heute geriert sich die Elbe wild, und alle greifen nach den Stangen unterm Dach: der Franke, The Maastrix, China Girl,
German Psycho und sogar Mr. X, dem ich vor Jahren versprach, ihn niemals zu verbloggen, weshalb dieser Satzteil hiermit auch für ungültig und nichtexistent erklärt wird.

„Festhalten ist so was von 90er!“, pflaume ich als einziger Haltloser die rückgratlose Gruppe fröhlich an, werde allerdings im gleichen Moment gegen den annullierten Mr. X geschleudert und greife instinktiv nach der Deckenstange.

Hier hilft also nur eine Runde Staropramen, dann hat man auch was zum Festhalten, sogar etwas Mobiles. Das kommt gut an, das Staropramen, zumal ich es spendiere. Nur China Girl will ein Bier mit Lemon, aber wir sind ja tolerant.

German Psycho ist übrigens trotz seines gezielt gepflegten Chromaxtimages im Kern seines Herzens (yes, er hat eins!) ein höchstwahrscheinlich zartes, vielleicht gar verzärteltes Wesen, das keiner Fliege, sondern höchstens einem Wiener Schnitzel etwas zuleide tun könnte. Auch kann er gewiss kein Blut sehen; ein ernstes Hindernis für eine anständige Serienkillerkarriere.

Wäre seine Zartheit weniger ausgeprägt, dürfte er jedenfalls auf den Geruch von Kotze, der sich plötzlich flächendeckend über unser Boot legt, nicht so reagieren, wie er reagiert.

Während die Band so tut, als stänke es nicht bestialisch, und unbeirrt weiter „Oh lonesome me“ (Clip) spielt, versucht GP verzweifelt, seine Nase vorm Kontakt mit der Außenwelt zu schützen. Er tut es geradezu mit Händen und Füßen, doch gelingen will’s ihm nicht.

Es ist übrigens seltsam, wie geschickt der Geruch von Erbrochenem dich in einen Nachahmungsmodus zwingt, obwohl doch auch dem denkfaulsten Instinkt aus unserer Australopithecus-afarensis-Phase klar sein dürfte, dass es das olfaktorische Problem keineswegs behebt, wenn man selbst zu seiner Potenzierung beiträgt.

Kurz: Wohl jeder auf dem Boot denkt während der hartnäckigen Kotzewolke, die uns ausgerechnet in einer Schleuse liebevoll umhüllt, eine Weile darüber nach, ob er sich ebenfalls schnell mal über die Bordwand hängen sollte.

Doch alle bleiben eisern, sogar GP, dessen Nase inzwischen so tief in seiner eigenen Armbeuge steckt, dass sie eigentlich den Eisengehalt seines venösen Blutes erschnuppern können müsste.

Als Oklahoma Ranch „You are my sunshine“ spielen, ist dank der Sturmböen das Schlimmste überstanden, dennoch muss GP das Schiff verlassen, und nicht nur aus Geruchsgründen.

Wir lassen den Abend im Copper House ausklingen, wo China Girl mir die gefühlten sechs Bedeutungen des chinesischen Wortes „Ma“ beibringt. Unter anderem bezeichnet dieses Wort sowohl „Mutter“ als auch „Pferd“, was in China erheblich häufiger zu Schenkelklopfen und Missverständnissen führt, als dort ein Sack Reis umfällt.