23 November 2005

Die kleine Geste

Ein Urlaubstag, sinnvoll genutzt zum mäandernden Einkaufen quer durch die Stadt. Bei Tchibo in der Mönckebergstraße habe ich 4,99 Euro zu zahlen, und als ich an der Kasse alles zusammenklaube, was in den Taschen herumfliegt, komme ich – man glaubt es kaum – auf exakt 4,98 Euro.

Nach Präsentation des Ergebnisses pausiere ich charmant lächelnd zwei Sekunden, um der Kassiererin Gelegenheit für die naheliegendste aller Entscheidungen zu geben: mir einen Cent zu erlassen. Sie lächelt zurück – und wartet. Also krame ich doch einen Schein raus.


Auf St. Pauli läuft das in der Regel etwas anders. In den kleinen türkischen Lebensmittelläden (und selbstverständlich auch in Renates Käse- und Weinladen) werden knappe krumme Beträge meist abgerundet. 8,02 Euro? Wortlos bekommt man auf einen Zehner zwei Münzen raus. Ich erwarte so etwas nicht, finde es aber zum Wiederkommen nett.

Aber vielleicht ist Tchibo einfach längst zu groß für kleine Gesten.


Danach geht's nach Altona, in die Beerenstraße. Sie zweigt ab von der Hamburger
Vierspurhölle namens Stresemannstraße, doch schon nach wenigen Metern erstirbt dort – in der Beerenstraße – alles Leben. Lagerhallenödnis macht sich breit.

Irgendwann auf der rechten Seite kommt dann das mediterrane Paradies: Andronaco heißt der riesige italienische Lebensmittelmarkt, und wenn ich mir ein Geschäft aussuchen müsste, in das man mich versehentlich über Nacht einschlösse, dann dieses.

Ich decke mich schwer ein mit Parmesan, Taleggio, Parmaschinken, Pasta, Amarettini und Espres
so, und draußen vorm Garten Eden erwartet mich wieder die bedrückende Industrietristesse der Beerenstraße, die ich ächzend fotografiere. Auch ein farbenfroher Fitzel Andronaco muss verewigt werden.

Im Bus schauen sie mich komisch an, weil aus meiner Umhängetasche ein Fünfkilosack Tortiglioni ragt. Ich schaue überlegen zurück.

Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Lodi“ von Creedence Clearwater Revival, „Everything must change“ von Randy Crawford und „My brain“ von Young MC.

3 Kommentare:

  1. Ja, Andronaco ist ein Super-Tipp. Auch der vorzügliche und richtig günstige Mittagstisch MUSS erwähnt werden! Und das Riesenstück Tiramisu für einen Euro zum Mitnehmen. Hmm, lecker!

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  2. Und gleich um die Ecke in der Schützenstr. gibt's den spanischen Supermarkt Calpesa, so etwa schräg gegenüber von Fliesen Harry.

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  3. Ich finde ja, solche wunderbaren Läden sollten alle in die Hafencity ziehen. Dann würden die Gourmets und Gourmands hinströmen, und es käme Leben in die Bude. Außerdem hätte ich diese Geschäfte dann vor der Haustür, statt in triste Viertel reisen zu müssen.

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