30 Juni 2008

Rothkos heimliche Nackte, enttarnt



Vorm Besuch der Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle hatte ich gelesen, dass Mark Rothko es nach seiner surrealistischen Phase – also nach dem Zweiten Weltkrieg – peinlich vermieden habe, Figuren auf seinen Bildern vorkommen zu lassen. Stattdessen konzentrierte er sich konsequent auf die suggestive Kraft gestapelter Farben.

Umso verblüffter bin ich, als mir auf seinem Gemälde „Nr. 12, 1949“ im Übergang zwischen dem orangen und lila Farbblock ein liegender Akt auffällt.

Die in Weiß gehaltene Nackte dreht uns den Rücken zu. Sie liegt auf der rechten Seite, das linke Bein ausgestreckt über dem angewinkelten rechten. Deutlich ist die Taille zu erkennen, der Hintern, der Übergang zum Oberschenkel, die schmalere Region ums Knie herum, die Wölbung der Wade.

Die langen Haare der Frau sind rotblond und fallen ihr schwerkraftgetreu über den Rücken. Eine echte Sensation: Rothko war selbst 1949 noch figürlich! Aufgeregt erzähle ich Ms. Columbo von meiner Entdeckung.

Ich fühle mich wie Schliemann in den Trümmern von Troja und bin sicher: Man muss hinfort die Rothko-Exegese in eine Zeit vor und nach der sogenannten Wagner-Entdeckung einteilen. Euphorisiert von dieser Aussicht zücke ich in aller Heimlichkeit die treue Digitalkamera.

Doch hier in der Kunsthalle ist das Fotografieren verboten, und so träge und lethargisch das Wachpersonal sich auch zu geben vermag, im entscheidenden Moment steht es doch stets da und ist streng mit mir.

Trotzdem wage ich einen ersten Knipsversuch. Leider wird er stark beeinträchtigt durch einen urplötzlich den Raum betretenden Uniformierten. Das Motiv erweist sich später zu Hause als nicht nur diagonal völlig verrutscht; der Bildausschnitt betont mehr den Fußboden als das Gemälde, und unscharf ist das Ganze zudem.

Das alles weiß ich natürlich im Angesicht von „Nr. 12, 1949“ noch nicht, ahne es aber schon ein Stück weit. Also folge ich aus durchweg niederen Beweggründen Mark Rothkos Tipp zum Umgang mit seinen Werken („Der ideale Abstand des Betrachters zum Bild beträgt 45 Zentimeter“) und schaufle unbemerkt von den herumschnürenden und heimlich hellwachen Museumslethargikern zwei weitere Fotos auf die SD-Karte.

Sie taugen erfreulicherweise als Beweis (s. hervorgehobenes Bilddetail), und nun darf gern die Rothko-Geschichte umgeschrieben werden. Sofern ein so fachkundiger wie einflussreicher Exeget Blogs liest und hier auf diese Enthüllung stößt.

Allerdings ist Nachruhm ja auch was sehr Schönes. Siehe Schliemann.

7 Kommentare:

  1. Das mit dem Nachruhm, sagen Sie, ist das irgendwie eine indirekte Aufforderung oder so? Sie wissen ja, Freunden helfe ich immer gerne.

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  2. Na, ein bißchen verrutscht sind die Poportionen schon ...

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  3. @opa:
    Beine bis zum Hals :-)
    (welcher dann wiederum so dick wäre, dass es höchstens ein so genannter "So'n-Hals" sein könnte)

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  4. Meistens klappt das nur in der Kunsthalle wenn man zu zweit ist. Frei nach dem Motto, getrennt marschieren vereint zuschlagen. Die Fotoverhinderungsschergen sind dann meistens zu lethargisch sich zu entscheiden und wackeln nur einem hinterher.

    So kann man durchaus da zum Schuss kommen. Um die EM mal so abzuschließen.

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  5. Gar nicht wahr, Opa, die Dame hat alles an der richtigen Stelle. Und die Beine, vierundachtzig, enden an den Pobacken, sehen Sie das nicht, Herrgottsakrament?

    dein_koenig, dazu braucht man aber die richtige Komplizin. Und die habe ich nicht … ;-)

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  6. irgendwie hat mich dieser blogbeitrag an einen uralten witz erinnert:

    "Was sehen Sie hier?" fragt der Psychiater und malt einen Kreis.
    "Eine nackte Frau" antwortet der Patient.
    "... und hier?" während er einen Strich zeichnet.
    "Auch eine nackte Frau" antwortet der Patient.
    "Noch ein dritter Versuch." meint der Psychiater und macht einen Punkt.
    "Ganz klar, noch ne nackte Frau."
    "Sie sind ja vollkommen sexbesessen!" behauptet der Seelenklempner.
    "Na, hören Sie mal! Wer hat den die ganzen Ferkeleien gezeichnet?!"

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  7. Genau: Schuld ist ja wohl der feine Herr Rothko!

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