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28 August 2011

Die Domina blieb arbeitslos



Wie altgediente Blogleser wissen, habe ich ein schweres Päckchen zu tragen: Ich bin ein Fan des 1. FC Köln. Ja, ja, ich weiß: Es gibt angenehmere Schicksale. Aber auch noch schlimmere, damit tröste ich mich immer. (Mir fällt nur gerade keins ein.)

Wenn die Kölner also mal wieder in Hamburg spielen, gehe ich auf die HSV-Webseite und kaufe mir für rund 40 Euro eine Eintrittskarte. Das ist ungefähr so, als würde ich in der Herbertstraße eine Domina aufsuchen – allerdings ohne ein Masochist zu sein.

Beim letzten Mal blechte ich die rund 40 Euro, um mir eine 2:6-Klatsche einzufangen. Ich ließ mich also gleichsam auspeitschen und löhnte auch noch dafür.

Entsprechend angespannt schlich ich heute in die sogenannte Imtech-Arena – und erlebte ein nervenzerrüttendes Spiel mit viermal wechselnder Führung, aber – o Wunder – auch einem unverhofft gloriosen Ende. 3:4! Die Domina blieb arbeitslos, meine Heimfahrt war ein einziger innerer Triumphzug. Schon im Shuttlebus war es wunderbar, den Gesprächen der HSV-Fans zu lauschen.

„Pass auf“, sagte ein Vollschlanker mit Schal zu seinem Kumpel, einem viereckigen Trumm mit Petric-Trikot, „St. Pauli steigt auf und wir steigen ab.“
„Nicht so lange ich lebe!“, jaulte sein Kollege waidwund auf.
„Wart mal ab, nächsten Sommer!“, bekräftigte Kassandro mit düsterer Miene.
„Dann bin ich dout“, rief sein Kumpel, „dann sterb ich!“

Ich gluckste und fühlte mich pudelwohl. Inmitten dieser Dunstglocke aus Frust und Verzweiflung unerkannt mit den HSV-Fans unterwegs zu sein, klammheimlich ihre Niedergeschlagenheit zu genießen: Das macht mich sicherlich zu einem schlechten Menschen, doch das Recht darauf habe ich mir auch teuer erkauft – siehe oben. Heute jedenfalls hatte ich die Peitsche geschwungen, statt mit wundem Rücken heimzuschlurfen.

Auf dem Bahnsteig fing einer in Blauweiß fatalistisch an zu singen. „Wir steigen niemals ab“, sang er, „wir wechseln nur die Liiiiiga!“ Respekt: So viel sarkastisch abgefederten Fatalismus hätte ich einem HSVler gar nicht zugetraut. Eine gute Übung für das, was da noch kommen kann.


PS: Kurz vorm Anpfiff hatte ich im Tippspiel meinen Tipp noch hasenfüßig von 0:1 auf 1:1 korrigiert. Aber irgendwas ist ja immer.

PPS: Das Foto zeigt Kölner Freudenbengalos bereits
vor dem Anpfiff. Anscheinend hatten die eine bessere Glaskugel als ich.

18 April 2011

Balanceakt



Eine kunterbunte Familienkreuzfahrt auf Rhein und Mosel, mit Eltern, Schwiegereltern, Schwägern, Neffen, Nichten und Gattin.

Unfassbare Dinge geschehen. Und läsen sie nicht alle hier mit, könnte ich auch drüber schreiben.

17 April 2011

Da hilft nur Stadionverbot



Noch niemals in meiner dekadenlangen Fankarriere habe ich den 1. FC Köln öfter in einer Saison live gesehen als in dieser, nämlich bereits dreimal.

Im Januar spielte er in Eiseskälte beim FC St. Pauli. Ich bibberte auf der Gegengerade und sah die Kölner mit 0:3 untergehen. Wenigstens gingen die Punkte an St. Pauli, das milderte den Schmerz.

Im März fuhr ich ins HSV-Stadion, wo ein lustloser 1. FC mit 2:6 abgefackelt wurde. Ich redete mir den Nachmittag mit der Torquote schön. Na ja, ich versuchte es wenigstens. Ein bisschen. Okay, eigentlich gar nicht.

Ganz klar, um mein Team siegen zu sehen, musste ich mir ein Heimspiel anschauen, in Köln. Das würde den Fluch brechen, zumal das Team sieben Spiele in Folge zu Hause gewonnen hatte. Das war Vereinsrekord, der durch einen achten Triumph noch ausgebaut werden würde.

Heute Nachmittag war ich also erwartungsfroh im Rhein-Energie-Stadion und schaute mir die Partie gegen den VfB Stuttgart an. Effekt: Köln ergab sich vollkommen widerstandslos einer 1:3-Klatsche. Wenigstens erwischte ich einen ziemlich inoffiziellen, aber passgenau hybriden Schal, der mein Herz erwärmte.

Meine Livebilanz in dieser Saison lautet also: 0 Punkte und 3:12 Tore.

Beim 1. FC Köln rätseln sie nach diesen Niederlagen immer, wie die unerklärliche Kraftlosigkeit zustande kommt, dieses Fehlpassfestival, die Unfähigkeit zu kämpfen, diese bleierne Demotivation.

Nun, ich kenne den Grund: Weil ich im Stadion bin. Auf mein Team wirke ich wie Kryptonit auf Superman.

Es gibt daher nur eine Lösung: Ich beantrage hiermit für mich ein bundesweites Stadionverbot. Sie soll für alle Partien gelten, an denen der 1. FC Köln beteiligt ist. Wo immer sie auch stattfinden.

Am liebsten wäre es mir übrigens, wenn Wolfang Overath diese Anweisung unterzeichnete. Um der alten Zeiten willen.

04 Mai 2010

Die richtige Entscheidung



Am Samstag wollte ich in Köln die Chance nutzen und spontan das letzte Saisonheimspiel des 1. FC gegen Freiburg besuchen. Dem Geißbockverein nämlich hänge ich seit Jahrzehnten bedingungslos an, in guten wie in bösen Zeiten. (Kölnfans wissen, welche Zeiten zuletzt überwogen; sie wissen aber auch, wie charakterbildend es sich auswirkt, in diesem Schicksal gefangen zu sein. Bayernfans werde das niemals begreifen.)

Das Maritim hatte für die Teilnehmer der Pressereise zwar eine Führung durch den Dom (Foto) organisiert, doch ich dachte mir, in einer Stadt mit genau zwei überzeitlichen Kulturdenkmälern – dem Dom und dem 1. FC – sei es im Grunde egal, für welches ich mich entschiede. Also schwänzte ich den Dom, schlich mich stattdessen in die Straßenbahn und landete kurz vorm Anpfiff an der Haltestelle Rhein-Energie-Stadion, wo mich nach menschlichem Ermessen bereits eine Armada Schwarzhändler mit Offerten hätte behelligen müssen.

Der Maritim-Rezeptionist hatte mir noch geraten, nicht direkt an der Haltestelle zu kaufen, sondern eher am Stadion: „Ist billijer.“ Doch hier standen nirgends konspirativ dreinschauende Dunkelmänner mit hervorblitzenden Ticketbündeln herum, mit denen ich in Last-Minute-Verhandlungen hätte eintreten können.

Am Stadion allerdings auch nicht, aber dafür Markus, ein FC-Fan von Mitte 20, dessen Blick bereits jetzt, um 15:25 Uhr, kölschvernebelt war. Er wollte ebenfalls auf den letzten Drücker noch Karten, und wir wurden sofort ein Team. Markus erzählte mir mit einer Stimme, die seinem Blick kongenial enstprach, so was hätte er noch nie erlebt. Normalerweise stünden hier immer Schwarzhändler, und 20, 25 Euro hätte er auch ausgegeben. So aber bliebe uns nur noch eine Sky-Kneipe.

Als er hörte, ich sei aus Hamburg, steigerte sich seine Begeisterung ins Unermessliche. „Aus Hamburg?“, jubelte er lauthals, „dat jibt’s nit: Meine Freundin is aus Hamburg!“ Wie sich herausstellte, stimmte das geografisch nicht ganz, sie kommt nämlich aus Ahrensburg, und das liegt in Schleswig-Holstein. Vom Rhein aus betrachtet ist das aber wahrscheinlich alles Südschweden.

Wie auch immer: Von nun an hatte ich bei Markus mindestens so viel Steine im Brett, wie der FC diese Saison Auswärtspunkte geholt hat. „Dat jibt’s nit: Du kommst aus Hamburg? Wie meine Freundin!“

Wir schlingerten zur Kneipe, wo bereits einige Dutzend Kölnfans vorm Flachbildfernseher standen, Kölsch tranken und auf ihre Mannschaft schimpften. Natürlich lief nicht die Konferenz, sondern das Kölnspiel. Bald nach unserer Ankunft fiel das 1:1 für Freiburg, was die Stimmung insgesamt verschlechterte.

Nicht so bei Markus. „Wat han wir ’n Glück, dat wir die 20, 25 Euro jespart han!“, grölte er mir freudestrahlend ins Ohr. „Dat is doch viel schönor, hier jemütlich Kölsch zu schlabborn!“ Wo er Recht hat.

Vom Spiel bekam ich nicht viel mit, denn immer wieder musste Markus seiner Begeisterung über meine Herkunft ekstatisch Ausdruck verleihen. „Dat jibt et nit, aus Hamburg!“, rief er, als müsse er eine halbe Fußballplatzlänge sonisch überbrücken, dabei sorgte er während des kompletten Spiels für eine maximale Distanz von acht Zentimetern zwischen seinem Mund und meinem Ohr.

Dann orderte er noch zwei Kölsch. „Aus Hamburg!“ Er schüttelte fassungslos den Kopf und umarmte mich ungelenk, während im Hintergrund das 1:2 fiel und das Schimpfen der Fans kurz aufwogte, um alsbald paralytisch zu verebben.

Kurz vor Schluss schoss Freis den Ausgleich. Jubel, Trubel, noch ’n Kölsch. Zwischendurch wurde ich immer wieder von Markus’ Beileidsbekundungen wegen des Ausscheidens des HSV aus der Europa League überschüttet. „Dat tut mir soooo leid, ächt“, sprühnebelte Markus.

Ich hatte es nach drei vergeblichen Versuchen aufgegeben, ihm noch einmal zu erklären, dass man als St.-Pauli-Fan auf eine HSV-Niederlage nicht gerade mit äußerster Bestürzung reagiert. „Aber für den deutschen Fußball ist dat schlächt“, hatte Markus beharrlich eingewandt, und natürlich hatte er Recht.

„Aus Hamburg, wie meine Freundin, dat jibt’s nit!“, sagte er plötzlich wieder und wollte das wiederholt mit einer Runde Kölsch begießen, doch ich wand mich aus der allmählich bedrohlichen Promillespirale mit dem wahrheitsgemäßen Argument, ich müsse abends noch auf eine Weinprobe.

„Eine Weinprobe! Is dat jeil!“, schrie Markus mir aus acht Zentimetern ins Ohr. Er hingegen, gelang es mir semantisch aus seinen weiteren Ausführungen herauszudestillieren, werde jetzt auf eine Tour durch die Brauhäuser der Altstadt gehen. Kösch schlabborn.


Im Hotel war die Weinprobe zum Glück nur eine Option. Ich entschied mich stattdessen kölschvernebelt dafür, dem Koch dabei zuzusehen, wie er 30 lebende Flusskrebse in siedendes Wasser warf.


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02 Mai 2010

Das Beinahende der Oliver-Pocher-Show



Erbte ich zufällig eine Hotelkette, so böte ich direkt nach Bett, Klo und Dusche als viertes Killerfeature jedes Zimmers freies WLAN an, und zwar noch vor Minibar und Pornos.

Da ich die Maritim-Kette zufällig noch nicht geerbt habe, ist das hier aber anders, und das Hotel räumt T-Mobile die Lizenz zum Schröpfen ein. Acht Euro pro Stunde will der rosa Wucherer fürs drahtlose Web – und kriegt sie natürlich nicht, zumindest nicht von mir.

Beim Maritim hat man schlicht noch nicht begriffen, dass viele Gäste ihr Hotel danach aussuchen, ob sie nach Lust und Laune im Internet surfen können. Doch auch dieses altehrwürdige Familienunternehmen wird irgendwann im 21. Jahrhundert ankommen, da bin ich mir sicher.

Lautsprecher neben dem Bett gibt es jedenfalls längst, und die wurden vergangene Nacht gegen halb 3 hochaktiv. Zunächt gab es einen Alarmton, der uns aus dem Tiefschlaf unvermittelt in eine kerzengerade Sitzhaltung zwang. Dann sagte eine Stimme ungefähr das:

„Es gibt ein technisches Problem, bitte verlassen Sie SOFORT das Hotel. Benutzen Sie NICHT die Aufzüge.“

Wortlos zogen wir uns an, trotteten raus auf den Flur und folgten schweigend einem vierschrötigen HipHop-Fan mit Kapuzensweatshirt, weil er den Weg zum Treppenhaus zu kennen schien.

Draußen röhrten die Sirenen. Als wir ins Atrium kamen, wo die Leute zusammenströmten, rasten drei Feuerwehrautos im vollen Ornat heran. Vorm Hotel versammelten sich die Gäste in illustren Kombinationen. Manche (die von der Tanz-in-den-Mai-Party) im kleinen Schwarzen, andere (die dem Tiefschlaf entrissenen) im Bademantel.

Die Feuerwehr stürmte das Hotel, lief mal hier-, mal dorthin, beriet sich flüsternd mit Sicherheitsleuten und kam schließlich zu dem Schluss: Fehlalarm. Ein übereifriger Feuermelder, der auch mal was sagen wollte.

Die mit dem kleinen Schwarzen trollten sich, die mit den Bademänteln auch, und wir erst recht. Als wir die Rolltreppe nach oben betraten, kam uns Oliver Pocher samt Entourage entgegen. Reichlich spät, Junge, dachte ich. Wäre es kein Fehlalarm gewesen, gäbe es im deutschen Fernsehen jetzt eine Lateshow weniger.

Ob das ein Verlust wäre, müssen andere entscheiden.

PS: Das Foto zeigt ein dekoratives Spargelfeld in der Umgebung – am Morgen, nachdem das Maritim Köln doch nicht abgebrannt ist.

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01 Mai 2010

Unter Vollprolls gen Köln



Als das knappe Dutzend Jungs lautstark unser Zugabteil entert, weiß ich sofort, dass die Fahrt gelaufen ist.

Schon beim Einsteigen balancieren sie ihr Gepäck aus – mit Bierflaschen. Alles was sie sagen, tun sie so, als müssten sie sich gegen eine Armada Presslufthämmer durchsetzen.

Wenn sie singen (was sie oft tun), handelt es sich um Lyrik à la „Whiskey und Kümmer-/ling-e-ling-e-ling“, und wenn sie nicht singen, dann grölen sie, und zwar „Olic! Olic! Olic!“.

In Osnabrück registrieren die Jungs durchs Fenster vergnügt eine Gruppe Mädchen mit Instrumenten auf dem Bahnsteig. „Boah“, staunt einer, als müsste er einen Presslufthammer übertönen, „die können Geige spielen!“ „Besser wäre Flöte“, ruft einer seiner Kumpel. So viel schlüpfrige Schlagfertigkeit hätte ich ihm gar nicht zugetraut, ehrlich gesagt.

Nach etwa der Hälfte der Strecke hat der Säugling auf dem Sitz vor uns genug vom Vollprollterror – und hält mit Schreien dagegen. Alles kein Ambiente, um unterm Kopfhörer ein Album von Owen Pallett zu hören oder einen Roman von Michel Houllebecq zu lesen (oder wie immer der geschrieben wird).

Unsere gemeinsame Fahrt mit den Jungs und dem Säugling dauert drei Stunden. Danach wanken wir aus dem Zug wie nach dem Ironman oder zwei schlaflosen Nächten oder beidem. Jetzt muss Köln uns retten, wo wir auf Einladung der Maritim-Kette das Wochenende verbringen.

Das Hotel liegt praktisch am Rhein und in Fußweite zum Dom. Verurteilte man mich zufällig zu lebenslänglich und dürfte ich mir aussuchen, wo ich die Strafe absitzen wollte, so wäre diese Mischung aus lichtdurchflutetem Atrium mit Mall (Foto) und Hotel drumherum gewiss nicht die letzte Wahl.

Da wir beide bisher noch nicht zu lebenslänglich verurteilt wurden, gehen wir nach dem Einchecken gleich mal die Gegend erkunden – und landen in einer Eisdiele, wo eine Frau zu einer anderen sagt: „Ich geh kurz bei Schlecker!“.

„Kölsch“, wird ein paar Stunden später der Maritim-Marketingdirektor Thomas Schüpstuhl uns mit einem Glas in der Hand erläutern, „ist die einzige Sprache, die man trinken kann.“ Und was soll ich sagen: Der Mann hat Recht.

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