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10 April 2009

Das Wort zu Ostern

Ein Ausflug führt uns nach Wandsbek, weil dort das einzige Kino Hamburgs steht, in dem Larry Charles’ agnostisches Dokupamphlet „Religulous“ läuft. Doch was tut man nicht alles, um dem Karfreitag die Würde zu nehmen.

Unterwegs stießen wir auf das abgebildete Grafitto, dessen Botschaft eine unbedingt unterstützenswerte ist. Gleichwohl bleiben Restzweifel, ob die empfohlene Methode zum natürlichen Aussterben der Nazis führen wird.

Doch wenn sich alle dran hielten, führte das zumindest zu einer ernsten Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität. Endlich mal ein Zölibat, das auch wir vorbehaltlos unterstützen können.

Nach „Religulous“ fiel mir ausgerechnet auf dem Kinoklo ein kleiner Aphorismus ein, der auch nicht paradoxer ist als das meiste, was Bibel und Koran so verzapfen. Er lautet:


Gäbe es Gott wirklich, hätte er uns nicht den Verstand gegeben, uns seiner Nichtexistenz bewusst zu werden.

Jetzt kann Ostern kommen.



30 Dezember 2007

Ein ganz und gar unutopischer Tag

Heute wagte ich nur einen einzigen Ausflug vor die Tür. Er reichte, um etwas sehr Unspektakuläres festzustellen: Auf St. Pauli geht alles seinen normalen Gang – und der regt mich auf.

Irgendjemand nämlich hat mir am Fahrrad mal wieder die Lampenleitung durchgeschnitten, bei Edeka ignoriert ein Merkbefreiter die Brötchenzange und wühlt mit bloßen Händen im Gebäck, von Fenstern und Balkonen bewerfen Scherzbolde die Passanten mit Knallfröschen, und auf dem Spielbudenplatz liegt unpassenderweise gestapelter Schnee herum.

Was also bleibt einem übrig, als sich zu Hause zu verkriechen, die Bude aufzuräumen und zwischendurch Aphorismen zu schmieden?

Zum Beispiel den hier:

Glorifizierung ist die nachträgliche Utopisierung der Vergangenheit; die Utopie hingegen glorifiziert vorauseilend die Zukunft.
Klingt nicht unpassabel. Doch der tristen Kiezgegenwart aus durchgeschnittenen Drähten, Brötchenbetatschern und in Kniehöhe explodierenden Sprengkörpern nützt so ein Spruch rein gar nix.


08 Juni 2007

Das Rot von Ochsenblut

Hm, hat der Hauseigentümer die Farbe seines Wagens nun auf die Immobilienfassade abgestimmt oder umgekehrt?

Jedenfalls alles sehr stilbewusst hier in der Thadenstraße. Dort haben wir uns heute Abend ein italienisches Restaurant gesucht, um ein kleines Jubiläum zu begehen, und sogar die Farbe der Tomaten auf unserer Bruschetta schien mit dem Umgebungston harmonieren zu wollen.

Als ich nach der Penne arrabiata aufsah, war der ochsenblutrote Wagen vor dem ochsenblutroten Haus mit dem ochsenblutroten Graffito allerdings verschwunden.

Vielleicht war also alles nur ein Zufall. Vielleicht sind wir doch keine Deppen in der Matrix, denen man ab und zu mal kleine ästhetische Irritationen vorsetzt, um zu sehen, ob und was sie darüber bloggen.

Sehr beruhigend.

06 April 2007

Definiere dialektisch

Jener abgebildete Philippino, der sich heute aus Karfreitagsgründen geißeln zu müssen glaubte, hat während seines blutigen Tuns offenbar sorgfältig darauf geachtet, das oben auf seinem Rücken eintätowierte affengeile Busenwunder unbeeinträchtigt zu lassen.

Hätte ich mich nicht einst mit Hegel und Marx beschäftigt, stünde ich ratlos und frappiert vor diesem Bild; so aber kann ich es einfach dialektisch nennen und zur Tagesordnung übergehen.

Frohe Ostern.

07 Dezember 2006

Das Zucken des Zeigers


Alltäglich begegne ich dieser Uhr, sogar jeden Morgen direkt nach dem Aufstehen, und zwar an einem Ort, der eigentlich einer Uhr nicht gemäß ist. Dennoch vermag sie gemeinhin auch dort treu und unbeeindruckt ihren Dienst zu tun.

Bis heute. Als ich den besagten Ort betrat, lag der Sekundenzeiger gleichsam in den letzten Zuckungen. Er schuftete unermüdlich und in stummer Verzweiflung, doch all sein Trachten und Streben reichte nicht mehr aus, auch nur die nächste Sekunde zu wuppen. Es war, als läge Clark Kent im Bett mit einem Brocken Kryptonit statt mit Lois Lane.

Und was soll ich sagen: Es rührte mich, diesem hoffnungslosen kleinen Stäbchen beim Scheitern zuzuschauen. Er gab einfach nicht auf, wie Thomas Doll. Sysyphos bei der Arbeit – ein trauriger Anblick, aber auch ein sehr tapferer. Weitermachen, immer weitermachen: Dieser Lehrsatz eines zeitgenössischen Philosophen schoss mir unwillkürlich durch den Kopf. Doch es war alles nutzlos.

Andererseits stand die Uhr auf fünf vor zwölf, und somit war es gut, dass er keine Sekunde mehr weiterkam. Alles hat seine zwei Seiten.

PS: Ja, ich gebe zu, ich habe die beiden großen Zeiger von viertel nach auf fünf vor zwölf gedreht. Doch ich achtete peinlich genau darauf, den zuckenden Sekundenzeiger nicht zu berühren, ehrlich.

PPS: Er ist erlöst. Ich habe die Batterie gewechselt.

20 August 2006

Kant und die Folgen

Der Kategorische Imperativ lautet bekanntlich: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Wendet man Immanuel Kants verflixte Forderung aufs persönliche Konsumverhalten an, stellt sich mir sofort folgende Frage: Welche Branchen wären pleite, wenn sich alle so verhielten wie ich – und welche gingen durch die Decke?

Nun, zunächst einmal raffte es sämtliche Fastfoodketten dahin. Ich esse keine Hamburger, und wenn das nun mal keiner täte, könnten Burger King und McDonald's einpacken, aber in nullkommanichts. Blöd für die Gesamtsituation wäre natürlich das durch meine Autoabstinenz verursachte Zusammenbrechen des Individualverkehrs. Aber vielleicht könnte die Branche das kompensieren – durch den Mehrbedarf an Bussen und Taxen.

Was ebenfalls augenblicks Geschichte wäre: alle Branchen, die an der Herstellung von Limonaden mittun. Ob Coca oder Pepsi, Fanta oder Ahoj-Brause mit Himbeergeschmack: pleite, allesamt. Den kompletten Kollaps gewärtigen müssten auch Schmuck- und Tabakbranche, das Bezahlfernsehen und natürlich Microsoft.

Jetzt zur Sonnenseite dieser Überlegungen. Geradezu explodieren durch mein verallgemeinertes Konsumverhalten würde der Markt für Zwischenraumzahnbürsten, und auch dem deutschen Winzertum stünden die glorreichsten Zeiten seiner Geschichte bevor; es müsste allerdings seine Anbauflächen komplett auf Riesling umstellen.


Restaurants fast jeder Couleur (außer den griechischen und „jugoslawischen” natürlich) wären auf beängstigende Weise überlaufen, und in Frankreich bräche wegen der ungeheuren Mengen auszuliefernder Rohmilchkäsemengen ein unsagbarer Jubel aus, wohingegen die weltweite Atombombenproduktion sofort dichtmachen könnte, denn dafür ist hier in der Seilerstraße noch nie der kleinste Bedarf angefallen.

Und für den dank Kant aufkommenden Megabedarf an hocharomatischen Ökostrauchtomaten müsste man leider sämtliche Anbauflächen für Hanf, Tee und Runkelrüben heranziehen – sie würden ja nicht mehr gebraucht, und irgendwoher müssen die Billionen Tomaten ja kommen, nicht wahr?

Das alles geschähe, wenn sich die Menschheit unisono einigen meiner wichtigsten Konsumgewohnheiten anschlösse. Die Welt wäre eine andere. Aber ganz sympathisch, wie ich finde.

Eigentlich könnte man aus diesem Beitrag fast wieder mal ein Stöckchen … okay, okay, ich hab nichts gesagt.

20 Juni 2006

28 April 2006

Ex Cathedra: Die Neuen Zehn Gebote

1. Verschwende keine Lebenszeit. Egal, wer dir was anderes erzählt, ob Benedikt oder Bin Laden: Du hast nur dieses Leben. Verschwende keine Minute davon.

2. Verschwende vor allem keine Lebenszeit an schlechte Musik. Gute Musik kann man erkennen: Stell dir vor, der Geist von John Peel tippte dir auf die Schulter, während du den iPod laufen hast, und liehe sich deine Ohrhörer. Würde er beifällig nicken? Dann hörst du gute Musik, verdammt noch mal.

3. Bleib nicht stehen, wenn du eine Rolltreppe betrittst. Niemand zwingt dich dazu. Und es schadet deiner Gesundheit. Am besten meidest du Rolltreppen.

4. Wenn du eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank nimmst, stell auch wieder eine hinein. Frag nicht, tu’s einfach.

5. Lache herzhaft, wenn du Esoterikern begegnest. Wer sich ernsthaft mit Astrologie, Homöpathie oder Friseurterminen nach Mondphasen beschäftigt, muss unbedingt ausgelacht werden. Wenn du milde gestimmt bist, kannst du diese Leute auch bedauern. Denn sie verschwenden Lebenszeit – an viel bescheuertere Dinge als nur an schlechte Musik.

6. Sichere deine Daten! Sichere deine Daten! Am besten dreifach und an verschiedenen Orten. Wir waren so blöd, immer kurzlebigere Speichermedien zu erfinden. Eine Steintafel hält Jahrtausende, die selbstgebrannte CD nur noch fünf Jahre. Damit unsere Lebensdaten erhalten bleiben, müssen wir sie sichern, doppelt und dreifach. Miete für deine wichtigste Backup-DVD ein Bankschließfach. Du wirst mir irgendwann sabbernd vor Dankbarkeit nachträglich viel Geld für diesen Tipp bezahlen wollen. Abonniere dafür lieber zehn Obdachlosenzeitschriften.

7. Liebe! Wen auch immer. Es tut gut. Und es verlängert dein Leben, so dass du mehr Zeit zum Nichtverschwenden hast.

8. Versuche das Dickicht deiner Vorurteile zu erkennen. Sie umstellen dich unsichtbar. Die einzige Machete, die ihnen beikommen kann, ist die Neugierde. Sei neugierig!

9. Folge keinen Führern. Vor allem nicht solchen, die dich davon abhalten wollen, weiße Socken zu tragen.

10. Versuche auf keinen Fall, cool zu sein. Es sei denn, du planst eine Karriere als Witzfigur. Dann versuche auf jeden Fall, cool zu sein.


(PS: Hm, eigentlich ein schönes neues Stöckchenspiel, nicht wahr? Wie wär's, German Psycho …?)

07 März 2006

Die Fundstücke des Tages (10)

1. Manche Fehlermeldungen haben etwas Philosophisches. Sie scheinen etwas verraten zu wollen über das Universum und das Wesen der Zeit, über Ewigkeit und Vergänglichkeit. Ich verstehe sie trotzdem nicht.

2.
Neue Google-Suchabfragen, die zu meinem Blog führten:

„ich war einmal eine forelle“ (via AOL) Diese Abfrage scheint auf Reinkarnationsgläubigkeit hinzudeuten. Nun sucht der Exfisch offenbar Menschen mit ähnlicher Vergangenheit. Um worüber zu sprechen – dass man Würmer mit Leinen dran beim nächsten Mal besser meiden soll? Bizarr.

„schalke spielt gegen mailand, krasniqi will schmelings nachfolger werden, und was mache ich?“ (Coburg, Bayern) Eine höchst unheimliche Suchabfrage. Denn dieser Satz stand ganz genauso in meinem Eintrag vom 29. September, und natürlich erhielt der unheimliche Googler worldwidewebweit nur diesen einen Treffer … Bin baff.

3. Im Fitnessclub traute ich meinen Ohren nicht. Plötzlich erklang einer meiner Lieblingssongs und – wenn man das sagen kann – eine der schönsten Kompositionen überhaupt: Tim Buckleys „Song to the Siren“. An sich wäre das ein erfreuliches Faktum gewesen. Doch es war nicht die Fassung von Tim Buckley, sondern eine Blümchentechnoversion samt Hupfdohlengekiekse von irgendeinem ehrlosen Produzenten. Raubkopier sind Verbrecher? Dass ich nicht lache.

Ex cathedra: Die Top 3 der depressiven Songs nach joshuatrees Gusto
1. „Raining in Baltimore“ von Counting Crows
2. „Looks like Spencer Tracy now“ von Deacon Blue
3. „Floating world“ von King Swamp