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01 Februar 2024

19 Dezember 2023

Auf den Straßen von St. Pauli

Manches, was hier in der Seilerstraße so herumliegt, wirkt kieztypisch, etwa der damenlose Büstenhalter. Er wirkt ein wenig wie wütend entsorgt. Die Geschichte dazu würde mich interessieren, und ich ersuche Sie dringend, diese in erforderlicher Ausführlichkeit in den Kommentaren zu schildern.



Anderes mutet eher überraschend an – wie etwa die handliche Bibelausgabe im Fahrradkorb. Fahrradkörbe werden hier auf dem Kiez übrigens recht oft für Mülleimer gehalten. Ich weiß nicht, wie man diesem Irrtum aufsitzen kann; normalerweise lernt man die Unterschiede schon recht früh im Leben.


Die Stolpersteine in unserer Straße wurden nach dem bestialischen Massaker der Hamas in Israel von einem kleinen Schutzwall aus Grablichten umgeben. Inzwischen trotzen sie wieder unumsäumt Wind, Wetter und Antisemitismus.



Die tote Kieztaube hat ihr Dahinscheiden wohl der einen Zigarette zu viel zu verdanken. Alle Indizien sprechen dafür.



Es ist gewiss nur Zufall, dass das „Zu verschenken“-Schild neben einem völlig intakten und scheckheftgepflegten Mittelklassewagen herumliegt. Sonst wären seine Türen doch bestimmt – ähem – nicht verschlossen gewesen.
 


24 Oktober 2022

Gepriesen sei die Müllabfuhr!

Immer wieder kommt es vor, dass ein Hornochse denkt, es sei angebracht und überhaupt nichts dabei, seinen Müll einfach auf die Straße zu kübeln, weil ja eh schon genug davon herumliegt auf St. Pauli. In der Tat begegnen viele Benutzer unseres Viertels – wahrscheinlich mehrheitlich welche, die nicht hier wohnen – dieser Angewohnheit empörend gelassen.

Ich gehöre nicht dazu. Müll stört mich. Man kann es auf folgenden Nenner bringen: Mich stört alles, was Tauben erfreut. Zwischen uns gibt es einfach keinen gemeinsamen Nenner. Deshalb mag ich auch Möwen: weil Tauben genau das nicht tun. Tauben sind der definitive Kontraindikator, und wer sich jetzt echauffieren möchte über dieses scheinbar grundlos ungerechte Federviehbashing, dem rufe ich zu: Wir haben eine gemeinsame Geschichte, wir und die Tauben! Sie besteht aus mehreren Kapiteln (1, 2, 3, 4) und ist nicht schön.    

Jedenfalls meldete ich den Haufen vor der Spielothek am Tag nach der Entdeckung via App der Hamburger Stadtreinigung. Da hatte er, der Haufen, bereits damit begonnen, in einen gewissen Zerfledderungsprozess überzugehen. Im Fußball würde man sagen: Er vergrößerte auf regelwidrige Weise seine Körperfläche.

Nach meiner Meldung, da war ich mir sicher, würde erst mal nicht viel passieren. Außer dass Tauben drin herumstolzieren, prekär aufgestellte Passanten den Schandfleck nach Brauchbarem durchwühlen und flanierende Torkler aus dem Umland ihren mitgeführten Restmüll ebenfalls dem Haufen überantworten würden. Denn er war ja schon da, und eine Astradose mehr oder weniger würde doch wohl an der Gesamtlage kaum etwas ändern. TUT ES ABER!

Egal. Als ich am Tag nach der Müllmeldung via App morgens auf den Balkon hinaustrat, um mir beim Zähneputzen den spätsommerlichen Oktoberwind um die Nase wehen zu lassen, sah ich kaum Glaubliches (vgl. unteres Bild): nämlich kein Fitzelchen Müll mehr. 

Die Stadtreinigung Hamburg, diese gebenedeite unter allen Anstalten des öffentlichen Rechts, hatte es über Nacht vermocht, den Müllhaufen auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen, und dafür gebührt ihr jeder verfügbare Jubel und Lobpreis. 

Sogar dann, wenn es vielleicht nur ein schöner dummer Zufall war.




29 August 2022

Kassandro hat es wieder getan


Es war am 28. Juni letzten Jahres, als sich uns der gegenüberliegende Flachbau nach dem Entfernen eines Gerüstes in jungfräulichem Eierschalenweißgrau darbot. Damals malte ich die Zukunft dieser Hausfassade in den düstersten Farben. Unter dem Blogposttitel „Die Frage ist nicht ob, sondern wann“ schrieb ich Folgendes:

„Die Fassade gegenüber ist frisch gestrichen worden, gestern haben sie das Gerüst abgebaut. Heißt: Graffitischmiererei in drei, zwei, eins … Mehr in aller Bälde.“

Nun, ich gebe zu, ich lag schief. Aber so was von. Denn die Entwicklung im weiteren Verlauf des Sommers, im Herbst, Winter, ja sogar im kompletten Frühjahr bis hin zum aktuell grassierenden Sommer widerlegte mich Tag für Tag. Nichts geschah. Die Fassade blieb unangetastet, als wäre sie mit einem farbabweisenden Nanolack eingesprüht. Oder als hätte sich die komplette Sprayerszene gegen mich verschworen. Als wollte sie mir sagen: Pah, du mit deiner Pseudokiezkenntnis – nimm das! Nämlich nichts.

Diese für mich zwar ziemlich düpierende, objektiv betrachtet aber ästhetisch durchaus erfreuliche Nichtentwicklung breitete sich über sagenhafte dreizehn Monate und eine Woche aus, derweil ich mich immer mehr gezwungen sah, meine Erkenntnisse über das Viertel, in dem wir wohnen, einer grundsätzlichen Revision unterziehen zu müssen. 

Dann aber, nach genau vierhundertunddrei graffitifreien Tagen, erbarmte sich endlich jemand und taggte die Wand mit einem großzügigen Motiv, welches mich entfernt an das Piktogramm eines Pottwals erinnert. Und natürlich gesellte sich nur wenige Tage später ein weiteres Motiv hinzu.

Von nun an – wie Sie sehen, habe ich nichts gelernt aus meinem Vorhersageversagen und betätige mich erneut kassandrisch – wird es keinerlei Halten mehr geben. 

Heißt: weitere Graffitischmierereien in drei, zwei, eins … 

Mehr in aller Bälde.





27 Juli 2022

Der Müllesser

Gestern hielt ein Radfahrer bei den hier abgebildeten Papiertonnen in unserer Straße. Er sah ganz normal™ aus. Etwa Mitte 30, gepflegt, gut rasiert, blaues T-Shirt, helle Chinohose. Auch sein 28er-Herrenrad erweckte nicht den Eindruck, als sei es unter Vernachlässigung depressiv geworden.

Der Mann hielt also an, ohne abzusteigen, klappte die blaue Abdeckung hoch und begann die Abfälle zu sichten. Eine Papierschicht nach der anderen räumte er beiseite, hob hier eine Tüte an und dort einen Pappkarton. Plötzlich stutzte er – und zog eine aufklappbare Styroporbox hervor, eine, wie man sie von Restaurants bekommt, wenn man etwas zum Mitnehmen bestellt hat. Er öffnete sie. Sie war gefüllt mit Essensresten.

Von unserem Balkon aus war nicht zu erkennen, um was genau es sich handelte. Vielleicht Pommes frites oder etwas Ähnliches. Jedenfalls gelblich braun. Dann griff er hinein – und begann zu essen. Allerdings nur einige Bissen. Anscheinend hatte er mehr erwartet, Hochwertigeres, Schmackhafteres. Schließlich kam es aus einer Mülltonne auf St. Pauli, da darf man schon gewisse Ansprüche haben, nicht wahr.

Jedenfalls legte er die Styroporbox zurück in die Altpapiertonne und setzte seine Investigation deren Inhalts fort. Irgendwann stieß er auf eine Getränkedose. Ohne sie probeweise zu schütteln oder eine anderweitige Prüfung ihres Inhaltes vorzunehmen, setzte er sie umstandslos an die Lippen, legte, ohne zu schnacken, den Kopp in’ Nacken und trank. Dann legte er die Büchse zurück und fuhr davon, in ein fremdes und seltsames Leben.

Die ganze Zeit hatte ich hinuntergestarrt wie paralysiert. Denn mal im Ernst: Welcher Vollhorst entsorgt Lebensmittel in eine Altpapiertonne? Das verstößt gegen sämtliche Prinzipien der deutschen Mülltrennung!

Alle weiteren Fragen, die mir seit diesem Vorfall unablässig durch den Kopf schwirren, möchte ich an dieser Stelle nicht ausbreiten, denn eines weiß ich sicher: 

Sie stellen sie sich ebenfalls.



29 Juni 2022

Alles rollt (oder brennt)



Heute ein paar verstörende Geschichten mit Fortbewegungsmitteln im Fokus. Los geht es mit einer für langjährige Blogleser und -leserinnen längst sterbenslangweiligen Meldung: Mir wurde erneut ein Fahrrad gestohlen. Es war Nummer neun; oben ein Fahndungsfoto. Wenn Sie es irgendwo herumstehen sehen bla, bla, bla. Wer immer es war, er knackte dabei ein Abus-Faltschloss der höchsten Sicherheitsstufe, ohne irgendwelche Spuren oder Trümmer zu hinterlassen. Respekt.

Zum Glück war mein Rad versichert, zum Glück hat die Hausratversicherung nicht gezickt, sondern sofort bezahlt. Ich könnte nun also in den üblichen Modus verfallen und mir das nächste – zehnte – Rad kaufen und hoffen, es würde mir dereinst NICHT geklaut. Oder nicht so bald. Allerdings ist – laut Einstein – die Definition von Wahnsinn die, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Das fiel mir gerade noch rechtzeitig ein. Will sagen: Ich habe jetzt ein Abonnementrad von Swapfiets.

Dass ich erst neun Fahrräder später auf diese Idee gekommen bin, erfüllt im Grunde Einsteins Wahnsinnsdefinition vollauf, doch zur Ehrenrettung meiner geistigen Gesundheit kann ich sagen: Bis mir das achte Rad geklaut wurde, gab es so ein Angebot noch nicht. (Und kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit dem Anbieter Stadtrad – die Stationen sind zu weit weg, die meisten Räder dort kaputt, und mir bricht immer wieder der Angstschweiß aus, weil sich das vermaledeite Rad aus irgendwelchen Gründen nicht zurückgeben lässt und die Uhr tickt, tickt und tickt … Ein Gefühl ähnlich der Taxometerpanik, die mich regelmäßig bei Taxifahrten befällt.).

Als Backup zum Swapfiets-Dauerleihrad geruhte ich mir zudem einen Tretroller anzuschaffen (Lidl, 39,95 Euro). Er ist gut für den kurzen Weg zum Bäcker – und dafür, unvermittelt den Asphalt zu küssen (Protipp: Vermeiden Sie den Vortrieb, wenn Sie sich gerade in die Kurve legen). Die Ganzarmprellung links war aber bereits nach wenigen Tagen wieder weg.

Nicht nur ich befülle die Seilerstraße indes mit Fortbewegungsmitteln aller Art, das tat neulich auch der Besitzer des abgebildeten goldenen Benz. Wahrscheinlich ist sein Herrchen ein emeritierter Lude der ganz alten Schule, der die prolligen Lamborghinis seiner halbstarken Nachfolger einfach nur degoutant findet. Ähnlich muss auch jemand gegenüber dem nur wenige Dutzend Meter weiter abgestellten weißen Transporter empfunden haben, jedenfalls ging der unlängst unrettbar in Flammen auf. Wenn Sie also irgendwas gesehen haben bla, bla, bla.

Im Brauquartier stand neulich übrigens ein Fortbewegungsmittel namens Foodtruck, dessen Betreiber Pizzasuppe verkaufte. Auch das war sehr verstörend.





06 August 2021

Der Charaktertest

Im letzten Beitrag mit dem Titel „Und wieder ist ein Ständer weg“ informierte ich Sie und die staunende Welt über den erneuten Verlust meines Fahrradständers, den wohl jemand mit seit Jahren nicht stillbaren Kastrationsfantasien zu verantworten hat – gerade auf St. Pauli eine sehr kontraproduktive Störung.

Statt mir nun einen neuen Ständer zu besorgen, der alsbald wieder abgesägt würde, wie ein Blick in meine unbestechliche Glaskugel verriet, entschied ich mich zu einer Bastelstunde. Im Mittelpunkt: ein alter hölzerner Kochlöffel und eine Rolle Isolierband. Eine halbe Stunde später sah die Lage so aus wie auf dem Foto.

Allerdings spielte die Physik nicht mit. Zum einen war der Löffel etwas kurz, zum andern war er mit dem Bordmittel Isolierband nicht derart fixierbar, dass er davon abgehalten werden konnte, immer wieder zeitlupenhaft wegzuknicken. Meine Konstruktion war also nicht mal annähernd in der Lage, die selbstverständliche, mühelose Funktionalität des abgesägten Ständers auch nur vage zu imitieren. Immerhin kann ich mich seither wenigstens in der Gewissheit sonnen, weltweit der wohl einzige Radbesitzer von ganz St. Pauli zu sein, dessen Gefährt über einen ausklappbaren Kochlöffel verfügt.

Das Ganze bleibt also zunächst einmal unbehoben, deshalb widmen wir uns lieber Ms. Columbos Fahrrad, dessen Benutzung sie schon seit Langem aus Gründen, die hier nicht weiter von Belang sind, verschmäht. Seit Jahren fristet es in Ermangelung eines wettersicheren Unterstandes ein tristes Dasein auf unserem Balkon, mit allen Nachteilen, die Ero- und Korrosion so mit sich bringen.

Schon vorher war das Rad in einem Zustand, der mit „renovierungsbedürftig“ nur beschönigend beschrieben wäre. Eine der beiden Handbremsen ließ sich überhaupt nicht mehr zu einer Bewegung überreden, die andere zwar schon, indes zeigte sie keinerlei Wirkung. Die Lampen gingen weder vorn noch hinten, den Reifen gebrach es an Luft, das ganze Ding war ein einziges großes Elend. Und dann kamen auch noch die langen, einsamen Jahre auf dem Balkon hinzu, die Unbill wechselnder Jahreszeiten mit Regen, Frost und Hitzebrut, die den stetig herabrieselnden Großstadtdreck in gemeinschaftlicher Anstrengung zu einer bockelharten Schicht verbuken, deren Entfernung man nur noch einem Sandstrahler zutraute.

Die Frage war also: Was tun mit dieser Radruine? Sie weiter auf dem Balkon Platz beanspruchen zu lassen, während sie sehr, sehr langsam den Gang alles Irdischen ging, schien nicht mehr tragbar. Doch um sie zum Beispiel in den Stand eines Ersatzrades für mich zu versetzen, hätte ich gewiss 200 Euro – und damit weit mehr als den Restwert – in die Hand nehmen und sie zu einem die Hände über dem Kopf zusammenschlagenden Fachmann schleppen müssen – nur um das Rad nach Instandsetzung erneut auf dem Balkon den fatalen Folgen von Ero- und Korrosion auszusetzen. Und für 200 Euro habe ich ehrlich gesagt auf dem Flohmarkt schon Gebrauchträder gekauft, die sich drei Jahre lang weitgehend beschwerdefrei fahren ließen (ehe sie mir wieder geklaut wurden).

Nein, eine Rundumreparatur schied aus. In Absprache mit der Eigentümerin entschloss ich mich stattdessen zu einem Charaktertest der Nachbarschaft: Ich stellte das Fahrrad unten auf den Gehweg zu all den anderen dort versammelten Artgenossen – allerdings ohne es am Geländer festzuketten.

Was würde geschehen? Wie lange bliebe es wohl ungeklaut dort stehen in all seiner Verletzlichkeit? Würde jemand bei diesem Haufen Schrott überhaupt noch zugreifen? Und wenn ja, wie viel Zeit würde vergehen, bis sich ein GEWISSENLOSES RIESENARSCHLOCH OHNE WÜRDE, ERZIEHUNG UND RESTMORAL seiner bemächtigte?

Nun, es waren knapp 24 Stunden.

Ich finde, damit hat der Kiez den Charaktertest klar bestanden. 
Denn es hätten ja auch nur zwei Stunden sein können.

PS: Mein Kochlöffel ist übrigens immer noch dran. Weiß auch nicht, was da los ist. 



12 Juli 2021

Und wieder ist ein Ständer weg

Seit Jahren schnürt jemand durch St. Pauli und schneidet Fahrradständer ab. Natürlich ist es keineswegs sicher, dass es sich immer um dieselbe Person handelt, doch ich kann mir nur schwer vorstellen, dass diese selten anzutreffende Geistesstörung auf so kleinem Raum gleich zweimal vorkommt.

Nehmen wir also an, es handele sich um ein und dieselbe Person. Was wissen wir über sie? Sie sägt Fahrradständer ab, sodass sie unbrauchbar werden. Manchmal lässt sie das abgeschnittene Ende achtlos liegen, manchmal nimmt sie es mit. Handelt es sich bei dieser Störung um Penisneid im Freud’schen Sinne, der sich in einem Akt stellvertretender Kastration Linderung verschafft?

In diesem Fall hätten wir es möglicherweise mit einer Frau zu tun. Einer gefährlichen Frau. Denn vielleicht genügt ihr irgendwann kein Fahrradständer mehr. Sofern sie über einen Lebensgefährten verfügt, wünsche ich ihm alles erdenklich Gute. Und ein abschließbares Einzelschlafzimmer.

Mir hat diese Person bereits schätzungsweise viermal den Fahrradständer abgeschnitten. Ich hätte eine Strichliste führen sollen, dann könnte ich jetzt Genaueres sagen. In meinem letzten längeren Eintrag zu diesem lästigen Thema hatte ich um anonyme Informationen über die Motivlage gebeten, doch hat sich leider bisher niemand dazu bemüßigt gefühlt. 

Eine ebenfalls im erwähnten Blogtext von 2018 vorgestellte These halte ich übrigens für unplausibel. Dort hieß es, Ständerabsäger nutzten die abgesägten Reste zum Aufhebeln der Schlösser, um danach mit dem ganzen Rad vondannen fahren zu können. Aber mal im Ernst: Wenn ich losziehe, um Fahrradschlösser zu knacken, dann nehme ich mir doch entsprechendes Werkzeug mit, welches seine Praxistauglichkeit bereits im realen Einsatz nachgewiesen hat. Ein frisch abgeschnittener Alustummel wird damit doch nicht mithalten können und gewiss jede konstruktive Mitarbeit verweigern.

Wie auch immer: Motivationslage und Geschlecht der handelnden Person bleiben vorerst weiter im Dunkeln. Vielleicht lässt sie sich ja diesmal zu einem erhellenden Statement in den Kommentaren herab. Es interessiert mich wirklich!




28 Juni 2021

Die Frage ist nicht ob, sondern wann


Die Fassade gegenüber ist frisch gestrichen worden, gestern haben sie das Gerüst abgebaut. Heißt: Graffitischmiererei in drei, zwei, eins …

Mehr in aller Bälde.


24 Juni 2021

Als wären sie nie da gewesen

Unten im Treppenhaus, direkt hinter der Eingangstür, hat es sich ein Paar gemütlich gemacht, das hier definitiv keinen Mietvertrag besitzt. Es versperrt mir, der ich das Haus verlassen will, den Weg. Nach der Größe der herumliegenden Rucksäcke zu schließen, haben die beiden ihren halben Hausrat dabei; eher ist es sogar ihr ganzer. Auch zwei Fahrräder gehören dazu.

Eins davon ist ein Herrenrad. Es wirkt selbst auf einen Laien wie mich recht hochwertig. Ich bezweifle ehrlich gesagt, dass sein Besitzer schlüssig und rechtskonform herleiten könnte, wie er dessen habhaft wurde. Die Frau verbirgt sich halb unter einer Hoodiekapuze, tut geschäftig und brabbelt wirr vor sich hin, während er ansprechbar wirkt.

„Bitte gehen Sie“, sage ich zu den beiden, die nach meinem Auftauchen – wohl aus langjähriger Vertreibungserfahrung klug geworden – bereits eigeninitiativ damit begonnen haben, ihr Lager abzubrechen. „Wie sind Sie überhaupt hereingekommen?“

Der Mann trägt Radlerhosen und Haar- und Bartfrisuren, die schon lange nicht mehr von einem Profi in Augenschein genommen wurden – und Letzterer würde sich bei einem entsprechend vorgetragenen Anliegen wahrscheinlich auch weigern, ohne Gefahrenzulage tätig zu werden.

„Die Tür stand auf“, antwortet der Mann, ohne mich anzuschauen.
„Ich warte, bis Sie weg sind“, sage ich.

Es dauert lange Minuten, ehe alles weitgehend still und stumm verstaut ist. Auch ein Ladegerät will aus der frei zugänglichen Steckdose, die dummerweise über dem Stromkasten angebracht ist, entfernt werden. (Notiz an mich selbst: Hausverwaltung um ein Steckdosenschloss bitten.)

Ich bin den beiden nicht böse, auch sie wollen schließlich über die Runden kommen. Aber einfach über ihr Treppenhauslager hinwegsteigen und sie in Ruhe lassen, das kommt mir auch nicht richtig vor. Nach einer Weile ist das Lager geräumt. Ich verlasse hinter ihnen das Haus und überprüfe von außen, ob die Haustür sich aufdrücken lässt. Tut sie nicht.

Später sehe ich vom Balkon aus, wie die Hoodiefrau gegenüber unter einem Gerüst sitzt und sich anscheinend Substanzen zuführt, ich vermute intravenös. Er geht ab und zu rüber, lässt sich anbrabbeln, und irgenwann, als ich mal wieder vom Balkon aus die Lage checke, sind die beiden verschwunden.

Den Hausflur hinterließen sie übrigens rückstandlos sauber. Als wären sie nie da gewesen.

PS: Das irgendwie passende Foto zeigt den Bauzaun an der Taubenstraße.




23 März 2021

Aus die Maus!


Es gibt Neuigkeiten zu unserem vielfach geschilderten Mäuseproblem, und zwar erfreuliche bzw. betrübliche; das hängt ganz von der Perspektive ab. Der letzte Stand war der, dass wir Lebendfallen aufgestellt hatten, welche unsere Nager interessiert beschnupperten, aber mehr auch nicht. Schon mehrfach habe ich an dieser Stelle widerwillig bewundernd die Intelligenz unserer fallenvermeidenden Mitbewohner gelobt. Im Lichte der jüngsten Ereignisse möchte ich zwar nicht gänzlich davon abrücken und stufe sie – die Mäuseintelligenz – noch immer höher ein als jene der Ministerpräsidentenkonferenz, doch es ist etwas geschehen, was ins Gesamturteil einfließen muss. 

Zunächst ging allerdings unsere Wildkamera kaputt, sodass visuelle Nachweise der fortdauernden Anwesenheit unserer Mäuse nicht mehr möglich waren. Auch Spuren wie köttelgestützte Reviermarkierungen tauchten nicht auf. Das Problem war wahrscheinlich noch da, doch die alte Strategie „Aus den Augen, aus dem Sinn“ bewährte sich auch in diesem Fall: Wir begannen die Mäuse zu vergessen. Das Schlagfallenarsenal hatte ich längst abgebaut, nur hier und da stand noch ein verschmähtes Köderdöschen herum, und irgendwann sammelte ich auch die meisten Lebendfallen wieder ein. 

Doch gestern stieß ich unter der Küchenanrichte auf eine gut versteckte und deshalb vergessene Doppelfalle. Diese Konstruktion zeichnet sich durch zwei gegenüberliegende Schlagfallen aus, die von einem halbrunden Plastikdach überwölbt und so in einen für Mäuse gewöhnlich reizvollen Tunnel verwandelt werden. Solche Dinger standen monatelang an allen Ecken und Enden unserer Wohnung herum, mit lecker Erdnussflips beködert und dennoch von allen anwesenden Nagern nur beäugt, doch nie betreten.

Als ich also gestern die vergessene Tunnelfalle hervorzog, um auch sie wie alle anderen in der Abstellkammer einzulagern, fiel mein Blick auf etwas Längliches, das aus einem Ende hervorragte: ein Mäuseschwanz! Da war doch wahrhaftig etwas geschehen, mit dem ich nach all unseren frustrierenden Erfahrungen nie mehr gerechnet hätte: Eine Maus war in die Falle gegangen! Doch unglaublicherweise bot sich gegenüber, am anderen Ende der Tunnelfalle, das gleiche Bild: ein herausschauender Mäuseschwanz und auch dort das dranhängende Tier, erschlagen vom Fallenbügel. 

Jetzt verstehen Sie, warum ich das Ergebnis des Mäuse-IQ-Tests relativieren muss. Ich meine: Wenn es an einem Ende der Falle bereits eine erwischt hat, sollte ihre Kollegin, die irgendwann danach am anderen Ende auftaucht – sofern sie wirklich intelligenter ist als die Ministerpräsidentenkonferenz, wovon ich weiterhin unter keinen Umständen abrücken möchte –, wenigstens so clever sein und sich trollen, anstatt den gleichen Fehler zu begehen.

Warum das dennoch geschah und wann genau, das werden wir nie erfahren. Jedenfalls endete somit doch noch alles erfreulich bzw. betrüblich. Das hängt ganz von der Perspektive ab.




05 November 2020

Fundstücke (247)


Zunächst dachte ich beim Anblick dieses über Nacht am Schornstein gegenüber angebrachten Flugzeugmodells an ein Mahnmal (oder eine Verherrlichung) im Gedenken an die Anschläge vom 11. September 2001. 

Beim Heranzoomen entpuppte sich die Installation allerdings als Kommentar zur US-Präsidentschaftswahl.



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Update 06.11.2020: Das Flugzeug ist schon wieder weg. Da steht die BILD, die heute im Hamburgteil darüber berichtet, aber ziemlich belämmert da.



09 August 2020

Jetzt aber: eine Lebendfalle!


Unser seit einem Dreivierteljahr hin und her wogender Kampf mit Supermaus ist in eine neue Phase eingetreten. Monatelang hatten sich Giftköder und Schlagfallen als untaugliche Mittel erwiesen. Der Maus entlockten sie längst nur noch ein müdes Schnurrhaarwackeln. 

Die Überwachungskamera zeigte in deprimierender Allnächtlichkeit, wie der Minisäuger zunehmend desinteressiert den Parcours abschritt; ein immer routinierterer Slalom durch ein Minenfeld, das er längst kartiert hatte. 

Also musste eine neue Strategie her. Deshalb bestellte ich nach dem Rat eines Bloglesers im Internet eine Lebendfalle. Zwei Zugänge, als Wippen konstruiert, führen ins Innere des Kastens. Dort platzierte ich in der Mitte einen ordentlichen Klecks Schokocreme samt einer verführerisch duftenden Walnuss obendrauf. Der Weg in die Falle war simpel, der wieder hinaus unmöglich. Eine so geniale wie einfache Konstruktion. Und ich würde mich keines Mordes an einem Mitgeschöpf schuldig machen müssen, das wäre ein durchaus angenehmer Nebeneffekt. Denn eigentlich haben Ms. Columbo und ich ja gar nichts gegen die Maus, wir mögen halt nur nicht mit ihr unter einem Dach leben. Sie beteiligt sich schließlich nicht mal an den Nebenkosten.

In freudiger Erwartung stellte ich die Lebendfalle dort auf, wo die Maus sich allnächtlich am liebsten tummelte: auf dem IKEA-Flokati unterm Esstisch. Vorher hatte ich die bisher so nutzlosen todbringenden Waffen alle abgebaut. Schließlich sollte eine neue Strategie etabliert werden, und Kriegstaktiken darf man nicht vermischen, das hat schon Clausewitz gesagt. Oder auch nicht, ich habe ihn nie gelesen. 

Wie auch immer: Am ersten Morgen dieses neuen Zeitalters checkte ich die Kamera und sah – nichts. Die Maus war nicht ins Blickfeld geraten. Ebenso wenig am Folgemorgen. Auch die Kastenfalle blieb öde und leer. Am dritten Morgen aber waren sechs Bilder auf der SD-Karte. 

Sie zeigten die Maus, wie sie aus respektvoller Entfernung den Kasten musterte. Dabei bewegte sie sich kaum, ganz so, als studierte sie die neue Sachlage intensiv, als machte sie sich ein genaues Bild der veränderten Situation. Am Folgetag ein ähnliches Bild. Diesmal allerdings wagte sie sich näher heran; das heutige Foto dokumentiert ihren Terraingewinn sehr gut. 

Aber in die Falle tappte der Nager noch immer nicht, und ehrlich gesagt bin ich auch längst insgeheim davon überzeugt, dass dies niemals geschehen wird – unabhängig davon, was immer ich oder irgendein Vergrämer auch unternehmen werden. Diese Maus wird never ever so unvorsichtig sein und nur aufgrund von Schokocremeduft einen unbekannten Gang betreten. Das täte sie nur, wenn sie sicher wäre, auch wieder unbeschadet herauszukommen – wie damals, als sie das Stück Käse aus der scharfen Schlagfalle holte und damit Fußball spielte.

Woher die Maus weiß, was sie tun darf und was nicht? Ich weiß es nicht. Aber eins weiß ich, und das hätte mir schon früher dämmern sollen: Friedliche Koexistenz ist eigentlich auch was sehr Schönes. 

Die Lebendfalle bleibt trotzdem vorerst einmal stehen. Ein wenig nächtliches Entertainment hat unsere Maus sich redlich verdient – nicht dass sie sich noch zu Tode langweilt, das würde ich mir nie verzeihen.



02 Juli 2020

Ist die Maus ein Monster?

Es gibt Neuigkeiten von unserer Hausmaus, und zwar beunruhigende. Vielleicht sogar gruselige. Alles fing damit an, dass sie nach wochenlanger Sichtungspause plötzlich wieder durchs Wohnzimmer flitzte. Also baute ich erneut die Wildkamera auf und konnte die Rückkehr des Mininagers in der folgenden Nacht forensisch verifizieren. 

Angesichts der Fotos schien die Maus es ganz wunderbar zu finden, sich auf unserem flauschigen IKEA-Teppich zu tummeln. Deshalb sorgte ich ebendort für einen Köderparcours galore. Ich baute alles auf, was zur Verfügung stand: mit leckerstem Käse lockende Schlag- und Tunnelfallen sowie giftige Nutellatöpfchen sonder Zahl. Und davor die Kamera. 

Am nächsten Morgen stellte ich fest, dass bei einer der Schlagfallen das Käsehäppchen fehlte, ohne dass sie ausgelöst worden war. Wie sich herausstellte, hatte ich Möchtegernkleinwildjäger schlicht vergessen, die Falle zu spannen. Die Maus hatte also aus der einzigen inaktiven Falle das Futter stibitzt und war – weil es sich um einen aus ihrer Sicht kapitalen Brocken handelte – jetzt wahrscheinlich auf Tage hinaus satt und zufrieden. 

Die Frage, die sich daraus ergab, war – wie oben erwähnt – beunruhigend. Denn woher um alles in der Welt wusste dieses Biest, dass ihr nur und ausschließlich von dieser einen dämlichen Falle keinerlei Gefahr drohte? Zufall? Die Sache fing jedenfalls an, unheimlich zu werden. Hatten wir es hier etwa buchstäblich mit einer Intelligenzbestie zu tun? 

Ich verdoppelte meine Anstrengungen. Neben zusätzlichen Fallen aus der weiterhin gut gefüllten Asservatenkammer installierte ich den Honeypot schlechthin: ein DIN-A4-Blatt mit acht symmetrisch ausgelegten Käsehäppchen, die ich jeweils mit einem verführerischen Klecks Giftnutella gekrönt hatte (s. Farbfoto unten). Hmmm!

Am folgenden Morgen sah ich mir die durch den Bewegungsmelder ausgelösten Fotos an. Es waren sehr, sehr viele. Sie zeigten die Maus, die durch den Köderwald spazierte wie ein Teenie durch Disneyland, sie schnupperte hier, schnüffelte dort und studierte auch mit Interesse das Käseblatt. 

Dann geschah etwas Seltsames, ja Verstörendes: Die Maus näherte sich einer der Schlagfallen, die ich Intelligenzbestie diesmal auch wirklich gespannt hatte (erstes Schwarz-Weiß-Foto oben) – und auf dem nächsten Bild (2) war die weiterhin gespannte Falle plötzlich käselos. Stattdessen lag der Köder auf dem Boden.

Allein das war schon unerklärlich. Aber dann schien dieses Monster von Maus mit dem Brocken auch noch Fußball gespielt zu haben, denn er hatte auf Foto 4 erneut seine Position verändert. 

Ich möchte also noch einmal explizit festhalten: Wir haben hier im Haus eine Maus, die sich a) Käse aus einer gespannten Schlagfalle holt, ohne dabei ums Leben zu kommen, und statt diese Chance zu nutzen und den Happen gefahrlos zu verzehren, kickt sie ihn b) lässig durchs Zimmer und entschwindet in die Nacht.

Was wird sie als Nächstes tun – uns aus Jux und Dollerei den Strom abdrehen? Die Senderbelegung am Fernseher verstellen? Hegels „Phänomenologie des Geistes“ mit Anmerkungen versehen? Und derweil Dutzende genauso schlauer Nachkommen herstellen?

Kurz: Wir brauchen Hilfe! ERNSTHAFT!!!



22 März 2020

Mit ohne Autos


Den Ernst der Lage erkennt man auf St. Pauli an zwei Dingen: 

1. keine Huren auf der Straße
2. freie Parkplätze

Auf diesem Foto sehen sie unten einen leeren Streifen. Es ist eine Parkbucht unter unserem Balkon in der Seilerstraße. Mit ohne Autos. Am Samstagabend.

Mehr muss man nicht wissen.



06 März 2020

Vielleicht Salzsäure?

Heute kam ein Mann mit zwei Bierhumpen aus der erst neulich erwähnten Kiezkneipe Tippel II, als ich dort gerade die Straße überquerte. Beide Gläser waren halb gefüllt mit einer farblosen Flüssigkeit, augenscheinlich Wasser. Was will er damit, und wo will er hin?, fragte ich mich im Vorübergehen. 

Die Antwort gab er prompt. Der Mann ging nämlich stracks zum roten Hängemülleimer und kippte das, was immer auch die Humpen halb füllte, dort hinein. 

Unter den bizarren Verhaltensweisen, die uns im Lauf der Jahrzehnte auf dem Kiez begegnet sind, gehört diese aus dem Stand und fortan zu den bizarrsten. Was hätte dagegen gesprochen, beide Gläser in die Botanik am Wegesrand zu entleeren, zumal es eh von oben tröpfelte? Warum stattdessen in den Mülleimer? Handelte es sich bei der glasklaren Flüssigkeit vielleicht gar nicht um Wasser, sondern um etwas, mit dem keinesfalls ein Busch oder Bäumchen gegossen werden darf – vielleicht um so was wie … Salzsäure?

Aus dieser Überlegung ergäben sich allerdings dermaßen viele und durchaus verstörende Folgefragen, dass ich Sie damit gerne an dieser Stelle alleine lassen möchte.


03 Februar 2020

Von Mäusen veräppelt

Vielleicht erinnern Sie sich: Unlängst schrieb ich unter dem Titel „Sie nagen einfach nicht“ über unseren flächendeckenden Mäusebefall und bemängelte den unzulänglichen Appetit der Nager auf unsere Giftköder. Auch die überall verführerisch aufgestellten Schlagfallen umliefen die Possierlinge weiträumig. 

Die Vergrämungsprofis um den alten Fahrensmann Herrn B., die die Lage inzwischen fast wöchentlich neu beurteilen, blieben so ratlos als wie zuvor. Wenn wir mal wieder eine Sichtung schilderten, begannen die Herren nur halb verhohlen die Stirn in Falten zu legen – fast als dächten sie, wir bildeten uns die Mäusepopulation nur ein.

Um unserer Glaubwürdigkeit gegenüber B. und seinem Platoon auf die Sprünge zu helfen, habe ich deshalb neulich bei Aldi eine billige Wildkamera geschossen (ursprünglich 89 Euro, jetzt nur noch 29). Und siehe: Gleich in der ersten Nacht erwies sich das Gerät als Volltreffer. Zunächst fotografierte es eine Maus, die es sich unter unserem Esstisch wohl sein ließ. Auch ein lustiges Herumhoppeln war verschwommen dokumentiert. 

Tatsache war also, dass die Mäuse uns gleichsam auf der Nase herumtanzten, und ich konnte es beweisen. In unmittelbarer Nähe von Gift und Fallen hatten sie Spaß und Freude, aber ebenso wenig Todesmut wie Hunger. Ich empfinde so was als ziemlich düpierend. 

Doch erst das dritte Foto, entstanden in derselben Debütnacht, zerschmetterte mich vollends. Zu sehen ist es oben. Es zeigt eine Maus, wie sie aus unmittelbarster Nähe die Wildkamera inspiziert und wahrscheinlich sogar beschnuppert. Wäre ihr Schnütchen nicht abgeschnitten, ich bin mir sicher, wir sähen sie lächeln.

Heute habe ich den wieder einmal unverhofft hereinschneienden Herrn B., der in unserer Wohnung inzwischen buchstäblich jeden Spalt kennt, die Beweisfotos gezeigt und sogar einen interessanten kleinen Mäusefilm, der zwei Nächte später entstand.

Herr B. wirkte hilflos. Gift, murmelte er, habe das im Film zu sehende Tierchen sicherlich noch nicht gefressen, dafür sei es „zu schnell“. In zwei Wochen will er wiederkommen. Ich hoffe, er bringt Zeit mit. Ich werde in Beweismaterial schwimmen.


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20 Januar 2020

Der Midas von St. Pauli


Der Maler 4000 ist oft zu Gast im Haus und wurde nicht nur deshalb bereits mehrfach in diesem Blog verewigt. Jetzt ist er reif für eine weitere Erwähnung. Denn er ist wesentlicher Protagonist einer noch bis zum 1. Februar laufenden und äußerst unterhaltsamen Gruppenausstellung in der Galerie Feinkunst Krüger nahe dem Großneumarkt. Wir können die Unterhaltsamkeit beurteilen, wir waren auf der Vernissage – und einige seiner neuen Bilder habe ich auf dem Nachbarbalkon trocknen sehen

4000 findet seine Motive, wie man sieht, immer wieder auch auf St. Pauli, darunter die Fassade der Kiezkneipe Tippel II, die unverhohlen ein bestimmtes Zielpublikum anspricht und von unseren Balkonen aus zu sehen ist. 

Nachdem ich bei Feinkunst Kröger das Gemälde zur Erinnerung und Dokumentation abgelichtet hatte, beschloss ich, mit der realen Vorlage ebenso zu verfahren und mir beide Motive einmal näher anzuschauen. Und der Vergleich zwischen Kunstwerk und Foto enthüllte Verblüffendes. Denn zwei Elemente der Wirklichkeit hat 4000 – der sich ansonsten um jedes Detail bis hin zum Sky-Schild kümmerte – weggelassen während seiner Malsitzung: Laternenpfahl und Baum. 


Dass auf einem Motiv aus dem Rotlichtviertel ausgerechnet die beiden phallischsten Bestandteile der Vorlage fehlen – das lasse ich jetzt einfach mal so stehen. Und komme zu einem weiteren 4000-Werk, das bei der Ausstellung zu sehen, aber nicht mehr zu erwerben ist; eines, das diesmal nicht der Sphäre der Mal-, sondern der Konzeptkunst zugeordnet werden muss: ein nach ordnungsgemäßem Gebrauch plattgedrückter und danach achtlos entsorgter Plastiktrinkbecher mit Halm, vom Künstler locker schwingend aufgehängt in einem schwarzlackierten Holzrahmen.

4000 gluckst vor Vergnügen, wenn er erzählt, wo er den Becher fand (im unten an der Straße geparkten Autoanhänger eines Nachbarn), woher er den Rahmen hat (aus dem Sperrmüll) und was ihm schließlich ein Ausstellungsbesucher klaglos für all das bezahlte (250 Euro).

Der Mann macht buchstäblich aus Müll Geld. Wobei der Müll erst mal zu einer Idee werden musste, die sich in einem Objekt materialisierte und somit einen bezifferbaren Wert gewann, der sich wiederum erst dadurch verifizieren ließ, dass jemand den entsprechenden Kaufpreis entrichtete.

Aber warum fehlen Baum und Pfahl vorm Tippel II? Das wird noch zu klären sein – demnächst auf dem kurzen Dienstweg von Balkon zu Balkon.





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