13 November 2011

Hundstage

Beim Anschließen des Fahrrads am Schlachthofflohmarkt passierte mir etwas, das zwar auf St. Pauli unablässig droht, dem ich aber seit vielen Jahren dank Disziplin, Daueralarmiertheit und wahrscheinlich auch viel Glück stets entgangen war: in die Hinterlassenschaft eines Hundes zu treten.

Die Sohlen meiner Straßenschuhe entpuppten sich als für diesen Fall optimal gerillt, und man sah mich in der Folge durch die Umgebung der Marktstraße streifen auf der Suche nach raren Rasenflächen, die ich zur Verwunderung von Passanten dann im Stile eines Skilangläufers überquerte. Sogar rückwärts.

Kurz: Es war ein Scheißtag – und ein später hämischer Kommentar des Schicksals zu einem anderen Tag vergangene Woche. Ich hatte mit dem Rad an einem Baum in der Großen Bergstraße gestoppt und, um nicht absteigen zu müssen (denn absteigen ist die Pest), den Fuß an einem Gitter abgestützt, welches rund um den Baum herum angebracht war.

Während ich irgendwas ins iPhone tippte – wahrscheinlich den Kalauertweet „Betreiber von Legebatterien: Eiertollahs“ – hörte ich plötzlich eine männliche Stimme etwas sagen, von dem mir nur die Worte „… Hundehaufen getreten …“ ins Bewusstsein drangen.

„Wie bitte“, fragte ich alarmiert den Mann, der inzwischen auf dem Rundgitter Platz genommen hatte, „ich habe in einen Hundehaufen getreten?“ Ich stieg ab und inspizierte die Sohle.

„Nein, ich habe gesagt: Hoffentlich haste nich in einen Hundehaufen getreten“, sagte der Mann, ein anscheinend bereits seit einigen Jahren verrenteter Grauschopf. „Das hier iss nämlich ’n Sitzplatz.“

„Oh …“, machte ich, „ich dachte, das wäre so eine Art … Baumschutz … Entschuldigung.“ Er grummelte irgendwas, und ich fuhr weiter.


Unterwegs überlegte ich, ob seine verklausulierte Form, mich auf mein Fehlverhalten hinzuweisen, vielleicht typisch deutsch sei, und kam zu dem Schluss: auf jeden Fall.

An all das musste ich jedenfalls heute wieder denken, als ich wie ein Skilangläufer über Rasenstücke rutschte, um die tiefen, gewundenen, scheißscheißegeeigneten Rillen meiner Straßenschuhe vom Hundekot zu befreien.

Dem Verklausulierer aus der Großen Bergstraße wäre gewiss ein zufriedenes „Siehste“ entfahren. Doch er wird es zum Glück nie erfahren.


PS: Das kongenialste Foto zu diesem Beitrag erspare ich Ihnen, zumal ich es auch gar nicht angefertigt habe. Stattdessen irgendwelche Hunde, die bemüht unbeteiligt in den Edekaladen in der Paul-Roosen-Straße starren. Sie gehören natürlich zum Kreis der Verdächtigen.


11 November 2011

Eine Frage der (Un-)Moral



„Hey, warte mal“, pfeife ich den Franken auf dem Weg zum Feierabendbier zurück, „ich habe da mal eine juristische Frage.“

Sie bezieht sich, wie der Franke nur wenige Sekunden später erläutert bekommt, auf die im ganzen Viertel flashmobartig verteilten Sattelmützen, ein Werbegag des Mercado. Mein Fahrrad wurde nicht bedacht, weil es in den Zeisehallen stand und nicht draußen; deshalb verfüge ich jetzt über keinen Überzug.

„Wenn jetzt der Besitzer dieses Fahrrads“, schildere ich dem Franken die Sachlage und zeige auf ein Fremdvelociped, neben dem ich meins gerade ankette, „noch gar nicht mitgekriegt hat, dass jemand seinem Rad eine Sattelmützte überzog, und ich sie jetzt abziehe, um sie meinem überzuziehen: Ist das dann Diebstahl?“

Der Franke ist keineswegs elektrisiert von dieser hochmoralischen Fragestellung, sondern reagiert darauf wie ein sibirischer Tiger, dem man mit einer gedünsteten Karotte vorm Maul herumwedelt. Ihn, den Franken, zieht es mit Macht zum Fassbier und weg von sophistischen Diskussionen über Recht und Moral in der Novemberkälte.

Also schließe ich vorläufig die Akte Sattelmütze, mein Fahrrad an den gleichen Pfosten wie das fremde und mich seufzend dem Franken an, der bereits ins Aurel vorgelaufen ist. Dort geht es hoch her und irgendwann um Monty Python’s.

Kramer erzählt von einem Gagvideo auf YouTube, das die Kritik, die einst nach der Veröffentlichung von „Das Leben des Brian“ aufbrandete, karikiert, in dem es sie umdreht. Im Video regt sich ein Plenum über dieses sogenannte Christentum auf, das ja ganz offenkundig eine Parodie auf „Das Leben des Brian“ sei. Dessen Hauptprophet Jesus Christus sei empörenderweise sogar mit den gleichen Initialen ausgestattet worden wie der heilige John Cleese!

Darauf noch ein Helles. „Ich habe den Sinn des Lebens für 5,99 € gekauft“, informiert uns der Monty-Python’s-kundige Franke. „War trotzdem überteuert – denn den gibt es gar nicht“, proste ich ihm heiter zu, und irgendwann heißt es aufbrechen.

Die beiden Fahrräder sind immer noch einträchtig zusammengebunden, eins davon hat einen rotleuchtenden Sattel.

Und so eins – ups – steht jetzt auch in der Seilerstraße auf St. Pauli.

10 November 2011

Pareidolie (35–38)

Vor allem Bad- und Sanitärbereiche sind ein reicher Quell interessanter Pareidolien, wie man an den unten folgenden Fotodokumenten gut sehen kann.

Es ist übrigens nicht erst seit heute auffällig, wie viele uns umgebende Gegenstände aufrichtig entsetzt sind oder gotterbärmlich um Hilfe schreien. Auch diesmal gibt es dafür wieder erschütternde Beispiele. Manche sehen aus, als säßen sie gerade versehentlich in „Paranormal Activity 3“.

Nicht zuletzt deshalb ist es mir ein Anliegen, die heutige Reihe mit einem Fundstück zu beschließen, welches eher dem positiven Denken zugeneigt zu sein scheint und sich so erfreulich abhebt von der Mehrheit der lautlosen Klageweiber. Trotz offenkundiger Sehbehinderung scheint dieses Spülkastendetail mit einem zufriedenen Lächeln durch die Welt zu gehen.

Und d
aran, an diesem Spülkasten, sollten wir alle uns mal ein Beispiel nehmen.









PS: Eine ganze Galerie gibt es übrigens bei der Pareidolie-Tante.

08 November 2011

Keine Chance mehr für die Schanze?



„Also jetzt glaube ich auch, dass die Schanze gentrifiziert wird“, sagte Ms. Columbo, als wir gestern im Zirkusweg dieses Plakat auf einer Litfaßsäule erblickten.

Und das stimmt: Es gibt kaum ein stärkeres Indiz dafür, dass ein Stadtviertel von gehobener Bürgerlichkeit infiltriert wurde, als der Bau einer Waldorfschule.

Wenn man diese von einem esoterischen Rassisten gegründete und von seinem Denken weiterhin subkutan kontaminierte Verbildungseinrichtung erst mal im Viertel hat, dann ist alles zu spät. Schon das Deppenleerzeichen auf dem Plakat ist Vorbote verheerenden Unheils.

„Wo ist eigentlich der schwarze Block, wenn man ihn mal braucht?“, wäre mir deshalb beinah rausgerutscht. Doch zum Glück
wird das niemand je erfahren.

07 November 2011

Wie macht sich die „Frankensaga“?



Seit einigen Monaten ist jedermann der Verkauf selbstproduzierter eBooks über Amazon möglich. Ein großer Schritt für Amateure, ein möglicherweise gefährlicher für die Verlage – denn „die Einzigen, die im Verlagswesen noch nötig sind", glaubt Amazon, „sind der Autor und der Leser.“

Wie die private Produktion und Vermarktung eines eBooks funktioniert, welche Tücken man kennen und welche Tricks man anwenden sollte, hat Wolfgang Tischer in aller Ausführlichkeit geschildert – ein Beitrag, der übrigens stetig fortgeschrieben wird und nicht nur deshalb für eBook-Novizen hochinteressant bleibt. Dem möchte ich hier keine Konkurrenz machen, sondern nur ein kurzes Zwischenfazit zur „Frankensaga“ ziehen, die seit dem 10. Oktober bei Amazon erhältlich ist.

Mein sportliches Ziel war es, damit den 99 Euro teuren Kauf eines Kindle-Lesegerätes zu refinanzieren – und das funktionierte gut: Nach knapp zwei Wochen waren 45 Exemplare der „Frankensaga“ verkauft und der Kindle damit amortisiert.

Natürlich ist das – in absoluten Zahlen gerechnet – sehr wenig. Dennoch rangierte das Buch damit zeitweise unter den Top 60 der „Kindle-ebooks bezahlt“-Charts, was ein trübes Licht wirft auf die Gesamtverkäufe. Entsprechend ging es auf und ab: Mal rutschte die Frankensaga auf 3998 ab, berappelte sich plötzlich wieder auf 383, und zum Zeitpunkt dieser Niederschrift ruft sie von Rang 4.065 aus um Hilfe. (Die Sie ihr übrigens gerne gewähren dürfen.)

Wie auch immer: Auf dem Tantiemenkonto schlugen sich die Verkäufe der ersten beiden Wochen mit über 100 Euro nieder, natürlich vor Steuern. Dabei half sicherlich die Verlinkung in Udo Vetters lawblog; auch hier auf der Rückseite der Reeperbahn und auf Twitter habe ich immer mal wieder ein wenig Werbung dafür gemacht.

Die Verkaufsdynamik ließ nach den ersten zwei Wochen deutlich nach, doch Tage ohne jede Transaktion sind noch immer selten. Vor Weihnachten – das ist das nächste sportliche Ziel – soll die „Frankensaga“ sich dreistellig verkauft haben. Und dann dürfte auch bereits die erste Überweisung von Amazon eingetroffen sein, denn Erlöse werden erst zwei Monate, nachdem sie anfielen, ausbezahlt.

Seitdem das Buch bei Amazon online gegangen ist, läuft jedenfalls alles automatisch und – wie man loben muss – reibungslos und rund. Was ich bedauerlich finde: Anders als beim Verkauf von physischen Produkten wie Büchern oder CDs erhalte ich als eBook-Verkäufer von Amazon keine Information darüber, wer das elektronische Buch erworben hat.

Das macht die Transaktion unschön anonym – wie in der Buchhandlung eben. Doch bei Käufen im Internet treten die Handelspartner normalerweise in irgendeiner Form in Kontakt, man weiß, an wen man sich bei Problemen wenden muss, man kann auch mal nachfragen; all das ist nicht der Fall, wenn es um eBooks geht.

Nur wenn es rezensiert wird, erfahre ich etwas über die netten Menschen, die es erworben haben, und immerhin haben sich bisher zwei meiner Neugier erbarmt – danke vielmals! Doch wer sind die anderen? Was denken sie über ihren Kauf? Keine Ahnung.

In einem eigenen Amazon-Bereich kann ich lediglich eine täglich aktualisierte Statistik abrufen, die mich über die Zahl der Verkäufe und den Tantiemenstand informiert. Aber auch das empfinde ich als sehr erfreulich – und es steigert den Anreiz, über weitere Ideen nachzudenken, die eBook-fähig sein könnten. Denn in erster Linie macht es Spaß und ist sehr befriedigend, so etwas mit vergleichsweise wenig Aufwand selbst auf die Beine zu stellen und urplötzlich Inhaber einer ASIN-Nummer zu sein. Genauer gesagt: der ASIN-Nummer B005US3P5O.

Diese psychologische Komponente hat Amazon erkannt und nutzt sie aus – im Gegensatz zu den Verlagen, die wahrscheinlich zu viel Angst um ihre Corporate Identity haben, als dass sie sich mit der Schaffung eigener Onlineplattformen, die Autoren eine Selbstvermarktung erlaubten, dem Risiko einer Verwässerung aussetzen. Wir werden sehen, wohin das führt.

Mein Fazit jedenfalls ist positiv. Nur die Erlöse im nordamerikanischen Raum sind suboptimal. Lediglich ein einziges Exemplar der „Frankensaga“ wurde bisher über Amazon.com verkauft. Gesamterlös: 4,44 Dollar. Vor Steuern.

06 November 2011

Heimsiege können wir erst mal abhaken



Nachdem ich mittags im Stadion wieder einmal einen Bierbecher ohne Spielerfoto ausgehändigt bekam, wusste ich natürlich schon, dass es nie und nimmer zu einem Heimsieg gegen Fürth reichen würde.

Zwar drehte der FC St. Pauli in der zweiten Halbzeit erst einmal das Spiel, wandelte einen 0:1-Rückstand in eine 2:1-Führung um, doch ich ließ mich davon nicht im Geringsten aufs Glatteis führen. Schließlich bin ich kein Anfänger.

Stattdessen wartete ich gottergeben auf den Ausgleichstreffer. Selbst als die Greuther einen Mann vom Platz gestellt bekamen, schüttelte ich nur amüsiert den Kopf. Darauf fiel ja nur ein Depp rein. Dass der Ausgleich dann aber erst in der Nachspielzeit fiel, musste ich als eine besondere Schikane des Schicksals interpretieren.

Doch überraschen konnte mich dieses Ereignis natürlich nicht, schließlich hatte ich verdammt noch mal keinen Spielerbecher erwischt, und wir alle hier wissen ganz genau, was das bedeutet.

Vorm Spiel schon düpierte mich der Bierstand mit dekorativ gestapelten Bechern ohne jeden Aufdruck, was mich kurzzeitig in Schockstarre versetzt. „Warum gibt es denn keine mit Namen?“, fragte ich den Tresenmann niedergeschlagen und im Tonfall stiller Verzweiflung. „Die sind aus“, antwortete er in aller Unschuld, „es müssen erst neue bedruckt werden.“

Anscheinend wusste der arme Mann in keiner Weise, was das für die Heimspielstatistik seines FC St. Pauli bedeuten musste, nämlich ganz und gar nichts Gutes. Doch es kam noch schlimmer. „Wann gibt es denn Nachschub“, fragte ich ihn bang. Und dann sagte er den schlimmsten Satz, seit Marius Ebbers sich den Ellenbogen ausgekugelt hat: „Erst nach der Winterpause.“

Wir müssen uns die Punkte für den Aufstieg erst mal auswärts holen.

05 November 2011

Mein ausgeglichenes Konzertkarmakonto



Anna Ternheim scheint dünner zu sein als beim letzten Mal, und weil ich eine neue Kamera habe, die in HD filmen kann, sieht man das auch besonders deutlich.

Wegen ihr fuhr ich nachmittags zu Saturn in die Mönckebergstraße, wo sie einen klitzekleinen Akustikgig spielte, während aus dem Saturn-Lautsprechersytem die übliche Kryptik à la „Servicedesk für 24“ drang, zum Glück und wundersamerweise nur zwischen den Songs.

Gestern hatten sich ja manche Kommentatoren vor Abscheu über meinen Besuch des Jean-Michel-Jarre-Auftritts gar nicht mehr eingekriegt. Nun, mit meiner Aufwartung für Frau Ternheim, dürfte ich mein Konzertkarma für diese Woche wohl wieder ausgeglichen haben.

Es sei denn, irgendjemand reagiert mit Abscheu auf fein gezupfte Folkmelancholie – und so was soll es ja auch geben, wahrscheinlich vor allem unter Jean-Michel-Jarre-Fans.

04 November 2011

Nein, Dylan wird hier nicht erwähnt



Das zu kleine Zeitfenster zwischen Arbeitsende und Konzertbeginn bietet eine gute Gelegenheit, in der o2-Arena mal wieder etwas Überteuertes mit ordentlich E-600-irgendwas zu essen.

Ms. Columbo nimmt eine Pilzpfanne, ich entscheide mich für eine kapitale Currywurst mit lecker Purinbasenstickstoff und heftig Polysacchariden. Dann geht es rein in den Saal zu Jean Michel Jarre.

Darf ich vorstellen: Das ist der Mann, der die Leinwandgöttin Charlotte Rampling erst ins Bett und dann vor den Traualtar verschleppte, nur um seine Ehe nach zwei Jahrzehnten per Seitensprung zu pulverisieren.

Auf Deutsch: Er hatte Rampling, rammelte aber auswärts. Nicht gerade jarremant, wenn Sie mir diesen Kalauer gestatten.

Auf dem Weg zu unserem Platz mussten wir auch noch über H. P. Baxxters lange Beine steigen. Und über die die seiner ebenso blonden, aber deutlich tiefer dekolletierten Begleitung.

Entscheidend aber war sowieso die Tatsache, dass wir heute Abend in der o2-Arena die gleiche Bühne vor uns sahen, auf der vor drei Tagen erst der Meister gestanden hatte, ganz ohne Laserlarifari.

03 November 2011

Ein Satz ohne Lametta



Als ich mich nach dem Bauch-Rücken-Kurs bei Chris, dem Schlächter, zerstört zurück in die Umkleide schleppte, schoss mir der Loriot’eske Satz „Früher war mehr Dehnung“ durch den Kopf.

Den sollte ich verbloggen oder wenigstens vertwittern, dachte ich mit letzter Kraft. Kurz darauf aber drohte ein interessanter Dialogfetzen am Nachbarspind diesen Kalauer zu überdecken.

„Wie viele seid ihr denn in eurem Betrieb?“, fragte ein Halbnackter einen anderen Halbnackten. „Sechs Mann“, antwortete sein Kumpel, „vier Männer und zwei Frauen.“

Über dieser hübschen Pluralbildung und -auflösung wäre mir beinah die Loriot’eske Dehnung entfleucht, doch wie man sieht, schafften es beide Elemente unbeschadet bis nach Hause.

Unterwegs versuchte ich noch die tanzenden Türme eingangs der Reeperbahn in ihrer ganzen urbanen Abendstimmung für die Nachwelt festzuhalten. Die Spätfolgen des Bauch-Rücken-Kurses bei Chris, dem Schlächter, verhinderten das allerdings zuverlässig.

02 November 2011

Pareidolie (34)



Unter den Blinden ist der Einäugige … skeptisch.

Entdeckt am Zirkusweg.


PS: Weitere und bessere Beispiele gibt es bei der Pareidolie-Tante.

01 November 2011

Zurechtgerückt



So, ich habe mein Netzteil wieder, welches ich in einem Büsumer Hotel liegen gelassen hatte.

Telefonisch waren wir übereingekommen, dass ich das Porto nachträglich erstatte, und was tun diese Nordseeküstler nichtsdestowenigertrotz? Schicken mir das Ding unfrei per Nachnahme.

Auf der Post durfte ich es daher unter Aufbietung von 15 Euro auslösen; für ungefähr 10 Euro mehr hätte ich mir ein neues kaufen können.

Doch mein Ärger verflüchtigte sich bald, denn in der Postfiliale stand ich mitten in der Hartz-IV-Schlange, und so etwas rückt die Dinge rasch zurecht.

Hinter mir ärgerten sich zwei Männer in meinem Alter über das ganze System. Fünf Euro bekäme er zwar jetzt mehr, sagte der eine, doch dafür hätten sie ihm die Krankenkostzulage beschnitten. „Die krieg ich“, sagte er, „wegen mein Krebs, verstehste?“

Sein Kumpel verstand nur allzu gut. Dank seinem Diabetes.

(Und mehr Pointe gibt’s heute nicht. Das Foto entstand übrigens direkt vor der fraglichen Postfiliale und passt auch inhaltlich ein bisschen.)

31 Oktober 2011

Wenn man schon mal was braucht



Ich benötige eine kleine Plastikbürste, aus Gründen. Sie, die Gründe, näher zu erläutern, ist hier allerdings nicht der richtige Ort. Und zwar aus Gründen.

Jedenfalls handelt es sich bei der kleinen Plastikbürste, die mir sehr konkret vorschwebt, um Pfennigware, die man am besten im Ramsch kauft, und wo kann man das besser als bei Woolworth in der Großen Bergstraße?

Ich hätte diesen gemeinhin ungastlichen Ort gleichwohl niemals gezielt angesteuert, doch als ich versonnen dort vorüberzuradeln mich soeben anschicke, sticht mir das Totalausverkaufsschild ins Auge. Die Filiale wird also dichtgemacht; ein kleiner Verlust für die Menschheit und ein ebenso kleiner für Altona. Also rein da, ehe die letzte Plastikbürste verkauft ist.

Wie sich schnell herausstellt, befinden wir uns bei Woolworth bereits auf der Zielgerade des Ausverkaufs. Die Regale: traurige Karikaturen ihrer selbst. Das Publikum: fast durchweg weiblich, beleibt und mit kapitalem Migrationshintergrund ausgestattet. Es wühlt sich gleichmütig durch die Reste der reduzierten Reste – also Grablampen, Hosen für einsneunundneunzig (in Worten: EINSNEUNUNDNEUNZIG!) und Hannah-Montana-Taschen.

Kleine Plastikbürsten aber sind, wie ich nach längerem Durchstreifen der tristen Gänge ebenso erstaunt wie mild empört erkennen muss, längst ausverkauft, wahrscheinlich aus Gründen. So beschließe ich ersatzweise den überaus denkwürdigen Ramschladen ausgangs der Reeperbahn aufzusuchen, der seit mindestens acht Monaten einen Ausverkauf behauptet, ihn zumindest im Schaufenster lockvogelartig bewirbt.

Hier, zwischen Handyschutzhüllen aus den 90ern und Einweggeschirr, keine Plastikbürste zu bekommen, das ist ungefähr so wahrscheinlich wie die Chance, dass die Table-Dance-Damen im Dollhouse samstagsabends nicht blankziehen.

Zumindest eins davon ist allerdings trotzdem wahrgeworden – und nein, im Dollhouse war ich am Wochenende nicht. Aus Gründen.


28 Oktober 2011

Stuck in the middle with you



Der arme Linienbus hatte sich auf dem Wendehammer eingangs der Speicherstadt heillos festgefahren. Nichts ging mehr, kein Vor, kein Zurück, auch eine spontane Levitation stand augenscheinlich nicht zur Debatte.

Der Lenker hatte im verständlichen Bestreben, die Kurve zu kriegen, seinen Trumm von Bus wohl so lange rumrangiert, bis die Hinterräder auf dem Bordstein standen und die Vorderräder ebenfalls. Dadurch wurde das Reifenpaar vor der Hinterachse, welches anscheinend ganz allein für den Antrieb verantwortlich war, zu seinem großen Entzücken weitgehend entlastet. Es hatte praktisch jeden Bodendruck verloren und drehte jetzt so richtig durch.

Eine automobilistische Fehlkonstruktion, die allerdings einer zusätzlichen fahrerischen Fehlleistung an einem geeigneten Ort wie diesem bedurfte, um weltöffentlich zu werden. Jedenfalls war der Busfahrer in Not sowie die Passagiere ratlos bis verärgert und teils schon frustriert ausgestiegen.

Doch schnell fand sich eine Gruppe zufälliger Passanten, zu der ich die Ehre hatte, zählen zu dürfen, die gewillt war anzupacken. Wie in „Erdbeben“ oder „The Day after tomorrow“. Wir klemmten also unter Beifallsbekundungen des Fahrers allerhand herumliegende Gegenstände probehalber unter die Reifen der Antriebsachse, um dem Bus den nötigen Widerstand für den Vortrieb zu verschaffen.

Doch nichts half. Selbst kapitale Bretter von der Dauerbaustelle an der Brücke flogen munter drunter durch oder ließen sich behaglich eine breit grinsende Gummispur verpassen. Ich wuchtete daraufhin sogar eine Steinplatte, die mir beinah das Rückgrat brach, vor die Mittelachse. Auch das vergebens.

Zweifellos: Hier musste die Kavallerie ran, also ein Abschleppdienst für die ganz großen Brocken. Das sah inzwischen auch der beschämte Fahrer ein, der bisher noch gehofft hatte, sich die blamagenahe Blöße eines SOS-Anrufs nicht geben zu müssen.

Das tat er aber nun doch, und so trollten wir Zufallspassanten uns alle wieder, verschwitzt, zufrieden – und beseelt von diesem unnachahmlichen Mutter-Teresa-Gefühl, für das man sich gelegentlich auch mal das Rückgrat brechen kann: das Richtige getan zu haben, ohne auch nur einen Millimeter weitergekommen zu sein.

Immerhin: Für einen belanglosen Blogeintrag an einem Tag, an dem sonst nichts Berichtenswertes passierte, hat es allemal gereicht.

Und machen wir uns nichts vor: Darum geht es hier doch seit Jahren.

27 Oktober 2011

Fundstücke (149)



1. Als höfliche Menschen haben die St. Paulianer der Bitte des Ladenbesitzers am Neuen Kamp gern entsprochen, keine Plakate auf die Scheibe zu pappen. Spray und so was hat er aber nicht erwähnt.



2. Bereits vor Jahren habe ich davon berichtet, wie manche Musikpromoter mir statt einer Rezension eine Rezession aus den Rippen leiern wollen. Die Commerzbank kann das – nach Ansicht der Webseite finanzen100.de – ebenfalls, nur umgekehrt.



3. Das UCI beugt vor. Sonst droht ja auch Regress, in der Folge eine schlechte Rezension und dann Sie wissen schon.



4. Wo sitzt hier in Hamburg noch mal die Antidiskriminierungsstelle?



5. Zwar sagt dieser Stein auf Helgoland das Wetter nicht allzu gut voraus, doch er ist auf wundersame Weise in der Lage, jederzeit eine exakte Beschreibung desselben zu liefern. Davon können manche Promoter und finanzen100.de noch was lernen.

26 Oktober 2011

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli Hamburg (59)



Den vor einigen Jahren modernisierten Sockel des Michels finde ich übrigens – architektonisch gesehen – suboptimal.

25 Oktober 2011

Ein Ausflug, der Spuren hinterließ



Wenn man schon das Netzteil seines MacBook irgendwo vergisst, dann gerne an einem so schönen Ort wie Büsum.

Vorher waren wir gewarnt geworden vor diesem Städtchen an der Nordsee; als größte Attraktion galt einer Wohlmeinenden ein Bedienkino, das dort einmal existiert haben soll – vor 27 Jahren.

Doch der gewundene Strand, die Sonne, die sich abends capriesk ins Meer verflüchtigt, die fischrestaurantgesättigte Fußgängerzone, menschliche Schattenrisse auf dem Deich vorm Abendrot: All das liefert durchaus ein Ambiente, in dem selbst ein vereinsamtes MacBook-Netzteil nicht sofort depressiv wird.



Trotz der Heimeligkeit Büsums hatten wir einen Tag unseres Aufenthaltes genutzt, um nach Helgoland überzusetzen. Zwar war das Wetter von güldner Pracht, doch zumindest die Hinfahrt hinterließ gleichwohl deutliche Spuren – allerdings keine, die eine moderne Waschmaschine nicht irgendwie beseitigen könnte.

Jetzt sind wir längst wieder zurück auf dem Kiez – zwar ohne Netzteil, aber mit zwei Litern zollfreiem Single Malt Scotch.

Es könnte alles viel schlimmer sein.

24 Oktober 2011

Auch Gerald wirkt noch nach



Oh-oh, dachte ich sofort, als ich heute am Bierstand den abgebildeten Becher erhielt.

Zwar glaubte ich eigentlich die Grundvoraussetzung für einen St.-Pauli-Heimsieg dank des Erwischens eines Namensbechers sichergestellt zu haben. Allerdings grinste mich kreuzfidel der gute, alte Gerald Asamoah an, und der spielt leider gar nicht mehr für den FC St. Pauli.

Ja, Gerald Asamoah ist zurzeit sogar rechtschaffen vereinslos, was ein Skandal ist, und ob daher sein Konterfei in der zuständigen Sachbearbeiterdienstelle des Schicksals, wo St.-Pauli-Heimsiege erst nach sorgfältiger Prüfung aller Voraussetzungen eingetütet werden, als ausreichend akzeptiert werden würde: Daran hegte ich vorm Spiel doch berechtigte Zweifel.

Nach dem Spiel allerdings nicht mehr, im Gegenteil. Denn der 2:1-Sieg gegen den FSV Frankfurt war dermaßen schweineglücklich, dass nur die wohlwollende Intervention einer höheren Macht als plausible Erklärung für das Ergebnis taugt. Und dieses Wohlwollen resultierte natürlich mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit aus der peniblen, ja pedantischen Durchführung des Becherrituals durch mich.

Kurz: Die Bechertheorie steht weiter wie eine Eins, weil sie im Popper’schen Sinne noch immer nicht falsifiziert ist.

Im nächsten Heimspiel (5. November) geht es nun gegen den Spitzenreiter, die Spielvereinigung Greuter Fürth, und ich erwarte angesichts der immensen Wichtigkeit dieser Partie von der Vereinsführung nichts weniger, als in einer Sänfte an meinen Platz auf der Haupttribüne getragen zu werden.

Auch die parallele Kostenübernahme des magischen Biers im Namensbecher fände mein Wohlgefallen, denn allmählich geht die Sicherstellung der Heimsiege des FC echt ins Geld.

Wieso hat der gute, alte Gerald Asamoah eigentlich zurzeit keinen Verein? Das geht doch nicht.

22 Oktober 2011

Pareidolie (33)



Dazu fällt mir aus irgendeinem dunklen Grund ein Aphorismus von Gottfried Benn ein:

„Dumm sein und Arbeit haben: Das ist das Glück.“

PS: Viele weitere und bessere Bildbeispiele gibt es bei der Pareidolie-Tante.